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Mietminderung / Rurückbehaltungsrecht


Zurückbehaltungsrecht des Mieters und Behauptung der Mängelbeseitigung durch Vermieter

BGH, Urteil vom 10.04.2019 - VIII ZR 39/18 -

Die Beklagten (Mieter) hatten in den Monaten ab April 2015 bis Oktober 2015 die Miete um 40% gemindert und weiterhin von April bis August 2017 ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 60% wegen von ihnen behaupteter Mängel geltend gemacht; ab Oktober 2015 beschränkten sich die Beklagten auf eine Minderung von 20%. Von der Klägerin (Vermieterin) wurde daraufhin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs unter Verweis auf die benannten Monate das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Im Rahmen des Räumungsprozesses sprach die Vermieterin am 01.07.2017 eine weitere fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs im Berufungsverfahren aus; mit bereits erstinstanzlichen Schriftsatz vom 16.03.2017 hatte sie geltend gemacht, sie habe den von den Beklagten gerügten, allerdings auf deren Wohnverhalten zurückzuführenden Schimmelbefall im Juni 2016 beseitigen lassen. Das Amtsgericht hatte unter Abweisung der Räumungsklage der Zahlungsklage teilweise stattgegeben; auf die Berufung der Klägerin wurde dem Zahlungs- und Räumungsantrag umfassend stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Revision führte zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Rückverweisung.

 

Der BGH folgt dem Landgericht, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegt, wenn der Mieter über einen Zeitraum von mehr als zwei Terminen mit der Entrichtung des Mietzinses in Höhe eines Betrages in Verzug sei, der zwei Monatsmieten entspräche.

 

Für den relevanten Kündigungszeitpunkt 01.07.2017 ergäbe sich daraus und aus dem Umstand, dass die Beklagten ihre Anschlussberufung gegen die amtsgerichtliche Entscheidung zurückgenommen hätten, nicht, dass sie sich mit der Zahlung eines kündigungsrelevanten Betrages in Verzug befunden hätten.  Die durch die Rücknahme der Anschlussberufung erfolgte Rechtskraftwirkung erstrecke sich hier nicht gem. § 322 ZPO auf die Frage eines kündigungsrelevanten Verzugs. Dann, wenn es Gericht in einem Vorprozess bereits über einen Streitgegenstand rechtskräftig entschieden habe und dies Vorfrage für einen aktuellen Prozess sei, trete die Bindungswirkung ein, die sich aber ausschließlich auf die im Vorprozess ausgesprochene Rechtsfolge beziehe. Diese Präjudizialität nahm der BGH aber für das rechtskräftige Zahlungsurteil des Amtsgerichts (durch Rücknahme der Berufung der Beklagten bewirkt) nicht an. Die Rechtskraft des Zahlungsurteils würde das Gericht nicht davon entbinden, im Rahme des Streitgegenstandes Kündigung das Vorliegen eines kündigungsrelevanten Zahlungsverzugs am 01.07.2017 zu prüfen. Diese Vorfrage sei durch die Rechtskraft des Zahlungsurteils noch nicht bindend festgestellt. Festgestellt wurde lediglich, dass ein bestimmter Betrag an Mieten offen sei, der der Klägerin zugesprochen worden sei. Hieraus ließe sich für die mit entscheidende Vorfrage für den Räumungsprozess nicht schließen, dass zu den jeweiligen Kündigungszeitpunkten eine fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB gerechtfertigt sei.

 

Ob ein verzugsausschließendes Leistungsverweigerungsrecht des Mieters nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB bestünde liegt nach Darlegung des BGH im Beurteilungsermessen aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Trau und Glauben durch den Tatrichter. Insoweit bestünde nur eine eingeschränkte Prüfungsmöglichkeit durch den BGH im Rahmen der Revision, der allerdings das Urteil des Landgerichts nicht standhalten würde. 

 

Die Würdigung des Landgerichts zum Zurückbehaltungsrecht sei verfehlt. Die Angabe der Klägerin über eine Mängelbeseitigung im Juni 2016 ließe nach Auffassung des Landgerichts nicht erwarten, dass die Klägerin weitere Mängelbeseitigungsmaßnahmen vornähme, weshalb der Zweck des Zurückbehaltungsrechts nicht erfüllt sei. Zwar diene das Zurückbehaltungsrecht dazu, Druck zur Mängelbeseitigung auf den Vermieter auszuüben, was dann nicht möglich sei, wenn der Zweck verfehlt würde oder nicht mehr erreicht werden könne. Es ende bei Beseitigung des Mangels und bei Beendigung des Mietverhältnisses sowie dann, wenn der Mieter seine Mitwirkung (so Zutrittsgewährung zur Wohnung) verweigere. Ein solcher Fall läge aber hier nicht vor. Alleine die klägerische Behauptung zur Mängelbeseitigung würde das Recht nicht ausschließen können; andernfalls könnte der Vermieter dieses Recht alleine dadurch hindern, dass er den Mangel bestreitet oder Beseitigung behaupte. Auch würde die Behauptung der Mängelbeseitigung im Prozess nicht bedeuten, dass der Vermieter, sollte der Bestand des Mangels festgestellt werden, nicht doch noch den Mangel beseitigt. Entscheidend sei daher, ob die Behauptung der Mängelbeseitigung zutreffe oder sonstige Gründe den Schluss zulassen würden, dass das Zurückbehaltungsrecht dazu dient, Druck auf den Vermieter auszuüben. Feststellungen dazu, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wurde, habe das Landgericht nicht getroffen. Sonstige Umstände, die gegen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sprechen könnten, lägen nicht vor. Sie lägen weder in Bezug auf die Höhe des in 2015 zurückbehaltenen Betrages (€ 2.301,00) noch im Hinblick auf den seitherigen Zeitablauf vor. Zwar unterläge das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB in Ansehung des Umstandes, dass das Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung durch Minderung wiederhergestellt sei, einer zeitlichen und  betragsmäßigen Begrenzung, wobei der zurückbehaltene Betrag in einer angemessenen Relation zur Bedeutung des Mangels stehen müsse.

 

 

Bei hier zugunsten der Beklagten im Revisionsverfahren (mangels nachzuholender Feststellungen nach der Rückverweisung) anzunehmender zumindest auch bauseitiger Ursachen von Schimmelbefall in Küche und Schlafzimmer sei der Betrag noch als angemessen anzusehen. Die Zeitdauer (bis zur Kündigung am 01.07.2017) könne auch nicht die Annahme rechtfertigen, das Leistungsverweigerungsrecht habe seinen Zweck verfehlt. De Mieter könne zwar von dem Leistungsverweigerungsrecht nicht unbegrenzt Gebrauch machen sondern ist nach einem gewissen Zeitraum verpflichtet, seine sonstigen Rechte (BGH, Urteil vom 17.06.2015 - VII ZR 19/14 -) neben der Minderung) geltend zu machen. Vorliegend sei aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin noch während der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts im August 20915 bei Bestreiten des Mangels Klage auf Zahlung und wegen Kündigung wegen Zahlungsverzugs Räumungsklage erhoben.  Das Amtsgericht habe ein Gutachten eines Bausachverständigen eingeholt und die Klägerin habe sich dann auf eine Mängelbeseitigung berufen, wobei sie Fehler des Gutachtens rügte. Aus diesem Bestreiten der Klägerin ließe sich angesichts des laufenden Prozesses gerade nicht folgern, das Zurückbehaltungsrecht verfehle jetzt seinen Zweck. Auch von der Klägerin wurde selbst im Berufungsverfahren ausgeführt, das Leistungsverweigerungsrecht verfehle deshalb hier seien Zweck, da der Mangel, soweit er vorhanden gewesen sei, beseitigt worden sei. 


Bereicherungsrechtliche Rückforderung gezahlter Miete trotz Vorliegens eines die Mietminderung begründenden Mangels

BGH, Hinweisbeschluss vom 04.09.2018 - VIII ZR 100/18 -

Die Beklagten waren bis Ende März 2016 einer Wohnung der Klägerin und hatten in den Monaten November 2015 und Januar und März 2016 die Miete von € 820,00/Monat nicht gezahlt. Diese machte die Klägerin mit ihrer Klage geltend. 

 

Im März 2015 hatten die Beklagten einen regelmäßig wiederkehrenden fauligen Geruch in der Wohnung angezeigt. Dieser Mangel wurde erst im Dezember 2015 behoben. In mehreren Mails hatten die Beklagten im Oktober/November 2015 die Frage der Mietminderung angesprochen, und so auch am 15.10.2015 angefragt, ob für die Klägerin eine Vereinbarung einer Mietminderung von 15% ab dem Termin der Meldung der Geruchsbelästigung in Betracht käme. Die Klägerin lehnte ab, da eine Minderung für sie nicht in Betracht käme, nachdem sie sich jeweils zeitnah bemüht habe, die Mängel zu beseitigen. Daraufhin teilte die Beklagten mit Mail vom 05.11.2015 mit, die Beseitigung der Mängel sei seit 2013 fruchtlos verlaufen. Sie könnten notwendigen Maßnahmen nicht einschätzen und die Klägerin möge ihnen doch einen Vorschlag unterbreiten. Außerdem würden die sporadisch bisher nicht gezahlten Mieten ausgeglichen, was dann auch erfolgte.

 

Gegen die Klageforderung rechneten die Beklagten mit einem Minderungsanspruch von 15%/Monat  seit der Meldung des Mangels gegenüber der Klägerin auf. Das Amtsgericht gab der Klage bis auf eine angenommene 10%ige Minderung für November 2015 statt. Auf die Berufung der Beklagten bejahte das Landgericht einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch der Beklagten für die Monate Januar bis Oktober 2015 in Höhe von 10% der jeweiligen Monatsmiete wegen des Mangels. Anders als das Amtsgericht sah es diesen bereicherungsrechtlichen Anspruch als nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen an.

 

Die auf Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung gerichtete zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

 

Der BGH verweist darauf, dass die Darlegungs- und Beweislast des § 814 BGB bei dem Leistungsempfänger läge. Dieser müsste mithin den Nachweis erbringen, dass vorliegend den Mietern ihr Recht zur Minderung der Miete bekannt gewesen sei. Anderes ergäbe sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 16.07.2013 - VIII ZR 274/02 -, BGHZ 155, 380, 389). Dort habe der Mieter trotz eines nach Abschluss des Mietvertrages bekannt gewordenen Mangels die Miete über einen längeren Zeitraum ohne Kürzung oder Vorbehalt weiterbezahlt, obwohl, wovon nach dem allgemeinen Kenntnisstand der beteiligten Verkehrskreise auszugehen sei, das recht zur Herabsetzung der Miete bekannt sei. Damit sei gemäß § 814 BGB eine Rückforderung ausgeschlossen.

 

Der Kondiktionsausschluss des § 814 BGB greife nur, wenn der Leistende sowohl die Tatumstände kenne, aus denen sich die fehlende Leistungsverpflichtung ergäbe, sondern auch, dass er nach der Rechtslage nichts schulde. Der Leistende müsse also aus der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Vorliegend sei das Landgericht zu der nicht zu beanstandenden Überzeugung gelangt, dass die Beklagte keine Kenntnis davon gehabt hätten, dass sie die Bruttomiete für die in Rede stehenden Monate nicht in voller Höhe zu zahlen hätten. Zwar sei nicht die Kenntnis aller Elemente des Minderungsrechts nach § 536 BGB erforderlich; da die Minderungsquote in aller Regel von Bemessungsunwägbarkeiten (Art, Dauer, Erheblichkeit des Mangels) von einem Laien (häufig auch von seinem rechtlichen Beistand) nur überschlägig angesetzt werden könne, steht dem Kondiktionsausschluss des § 814 BGB nicht entgegen, dass sich der Mieter nur zu einer ungefähren Bestimmung der Minderungsquote in der Lage sehe. Auch wenn dies vom  Landgericht verkannt worden sei, habe die Entscheidung Bestand: Nicht zu beanstanden sei die Würdigung des Landgerichts, dass den Beklagten ausweislich der Mails nicht bewusst war, dass die Mietminderung kraft Gesetz eintritt, wenn ein Mangel vorliegt, der die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aufhebt oder mindert und dem Vermieter angezeigt würde (§§ 536, 536c Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB). Den Mails läge die fehlerhafte Vorstellung zugrunde, eine Mietminderung könne nur bei Einverständnis des Vermieters vorgenommen werden.

 


Nach dem Hinweisbeschluss wurde die Revision zurückgenommen.


Mietminderung nach Beendigung des Mietverhältnisses in Bezug auf zu zahlende Nutzungsentschädigung

LG Krefeld, Urteil vom 20.12.2017 - 2 S 65/16 -

Die Kläger erhoben gegen die Beklagten Klage auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für ein spätestens durch fristlose Kündigung zum 22.10.2013 beendeten Mietverhältnis für den Zeitraum Januar bis September 2014; die Räumung erfolgte am 10.09.2014. Dabei vertreten die Beklagten die Ansicht, es dürfte nicht  - wie vom Amtsgericht angenommen - der volle Mietzins zu Grund gelegt werden, sondern ein wegen Mängeln geminderter Mietzins.

 

Gegen das der Klage vollumfänglich stattgebende Urteil legten die Beklagten Berufung ein. Diese wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Der Anspruch der Kläger sei nach §§ 546a Abs. 1, Abs. 2, 280 Abs. 2, 286 BGB begründet. Die Räumung am 10.09.2014 würde den Anspruch nach der Kläger nach §§ 546a Abs. 1 BGB, für die Zeit danach bis Ende September 2014 nach §§ 546a Abs. 2, 280 Abs. 2, 286 BGB begründet sein.

 

Gemäß § 546a BGB könne der Vermieter für die Zeit der Vorenthaltung der Mietsache die vereinbarte Miete verlangen. War die Mietsache bei Mietende mangelhaft und könne daher die Miete gemindert werden, stelle die geminderte Miete die „vereinbarte Miete“ dar. Vorliegend sei die Miete zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses nicht nach § 536 BGB gemindert gewesen.

 

Für bestimmte von den Beklagten gerügte Mängel (u.a. großflächige Schimmelbildung in Räumen im 1. OG, abblätternde Farnbe an bestimmten Rollläden, Scheiben im Keller seien gesprungen) würde es an einer einer Mietminderung vorherzugehenden Mängelanzeige ermangeln. Diese sei erst nach der Beendigung des Mietverhältnisses erfolgt (hier im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Beklagten könnten die Mängelanzeige nach Beendigung des Mietverhältnisses für vorher entstandene Mängel nicht mehr wirksam nachholen. Mit Beendigung des Mietverhältnisses bestünde kein vertraglicher Erfüllungsanspruch mehr. Selbst Mängel, die während der Zeit entstehen, für die Nutzungsentschädigung zu zahlen sei, würden nach der Entscheidung des BGH vom 27.05.2015 - XII ZR 66/13 - nicht eine Minderung begründen können.

 

Auch soweit die Beklagten äußere Mängel vorgetragen hätten (so eine Schädigung von Putz und Mauerwerk auf der Rückseite des Hauses, teilweises wegfaulen der Kellertür durch Regenwasser und Unansehnlichkeit der Klingel- und Briefkastenanlage) könne eine Minderung nicht geltend gemacht werden. Es würde sich um Zustände handeln, die den Gebrauchswert der Wohnung nicht unmittelbar beeinträchtigen würden, sondern um Äußerlichkeiten bzw. Unansehnlichkeiten und damit nur um unerhebliche Mängel, die eine Mietminderung gem. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB nicht rechtfertigen würden.  

 

 

Für September könnte die Kläger auch Schadensersatz für die Zeit nach der Räumung bis zum Monatsende begehren. Zwar ende der Anspruch auf Nutzungsentschädigung taggenau mit der Räumung. Für den restlichen Zeitraum würde aber den Klägern ein Schadensersatzanspruch zustehen, da sie die das Objekt nicht sofort hätten weitervermieten können; angesichts des ungewissen Übergabetermins hätten sich die Kläger nicht um einen Nachmieter bemühen können.


Mietmnderungs- und Beseitigungsrecht bei Kinderlärm

BGH, Beschluss vom 22.08.2017 - VIII ZR 226/16 -

Die Klägerin bewohnte alleinstehend in einem Haus eine Wohnung im Erdgeschoß. Über sie zogen die Streithelfer mit ihren zwei minderjährigen Kindern ein. Unter Vorlage eines Lärmprotokolls und Zeugenbeweisantritt behauptete die Klägerin, es käme an allen Wochentagen, auch zu Ruhezeiten, zu massiven Lärmstörungen durch Stampfe, Springen, Poltern, Schreie, lautstarke und aggressive familiäre Auseinandersetzungen in der Wohnung der Streithelfer. Sie könne die Schallübertragung hören und spüren. Ihre Klage auf Beseitigung der Lärmstörung und Feststellung auf eine Mietminderung von 50% sowie auf Rückzahlung der insoweit unter Vorbehalt gezahlten Miete wurden vom Amts- und Landgericht abgewiesen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein. Dieser hob die landgerichtliche Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts zurück.

 

Der BGH sieht in der landgerichtlichen Entscheidung eine Verletzung rechtlichen Gehörs, da dieses wesentlichen Vortrag der Klägerin nicht beachtet habe. Zwar müssten in einem Mehrfamilienhaus wie hier gelegentliche Lärmbeeinträchtigungen als sozial adäquat hingenommen werden, wozu auch Kinderlärm zähle, den der Gesetzgeber sogar in §§ 22 Abs. 1a BImSchG für seinen Bereich als grundsätzlich zumutbar behandele.  Die Instanzrechtsprechung würde daher in ähnlichen Streitfällen bei Geräuschemissionen durch kindliches Verhalten auch erhöhte Werte hinnehmen, wobei die auf der anderen Seite zu fordernde Toleranz aber auch ihre Grenzen habe. Dabei käme es auf Art, Qualität, Dauer und Zeit der Geräuschsemissionen sowie das Alter und den Gesundheitszustand des Kindes sowie die Vermeidbarkeit durch erzieherische oder zumutbare bzw. gebotene bauliche Maßnahmen an.

 

Das Landgericht habe dies zwar vom Grundsatz her erkannt. Es habe seinen Blick für den tatsächlichen Vortrag der Klägerin verschlossen, indem es nur auf die kursorische Auswertung des Lärmprotokolls ohne Berücksichtigung des mit Substanz unterlegten weiteren Vortrages der Klägerin abgestellt habe. Damit könne anhand der unter Beweis gestellten Eintragungen im Lärmprotokoll  nebst Erläuterungen nicht die Rede davon sein, dass noch ein natürlicher Bewegungsdrang der Kinder vorläge, und es sich damit um einen Schritt der natürlichen Entwicklung der Kinder handele, der noch normaler Wohnnutzung entspräche. Der BGH verweist insoweit auf die in auffälliger Häufigkeit wiederkehrende Eintragung im Lärmprotokoll  über familiäre Auseinandersetzungen, Schreien und Brüllen (insbesondere des Streithelfers zu 2.). Dies habe nichts mehr mit erzieherischen Maßnahmen zu tun, auch wenn so die zuvor als laut empfunden Kinder aufgefordert würden, ihrerseits Ruhe zu geben.

 

 

Auch habe das Landgericht das rechtliche Gehör dadurch verletzt, dass es diejenigen Störungszeiträume als unsubstantiiert dargelegt ansah, hinsichtlich derer kein Lärmprotokoll vorgelegt worden sei. Das Berufungsgericht habe übersehen, dass ein Lärmprotokoll (nach ständiger Rechtsprechung des BGH) bei ständig wiederkehrenden Lärmbeeinträchtigungen nicht vorgelegt werden müsse,  vielmehr grundsätzlich eine Beschreibung ausreichend sei, aus der sich ergäbe, um welche Art Beeinträchtigung zu welchen Tageszeiten  es sich handele und über welche Zeitdauer und Frequenz sie gehen würde. Da dem der klägerische Vortrag entsprochen habe, hätte er vom Landgericht berücksichtigt werden müssen. 


Minderungsrecht bei Vorenthaltung nach Kündigung ?

BGH, Urteil vom 27.05.2015 - XII ZR 66/13 -

Häufig muss der Vermieter sein Räumungsverlangen nach Kündigung gerichtlich durchsetzen. Dies gilt sowohl bei fristlosen Kündigungen wie auch bei ordentlichen Kündigungen, im Wohnraumbereich als auch im Gewerberaumbereich. War die Kündigung berechtigt, so steht dem Vermieter ab dem Tag der Beendigung des Mietverhältnisses kein Mietzinsanspruch mehr zu. Allerdings kann nun der (ehemalige) Mieter die Räume nicht kostenfrei nutzen, sondern ist verpflichtet, dem Vermieter für die Zeit der Vorenthaltung eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, § 546a BGB.


Was aber ist, wenn Mängel nach Beginn der Vorenthaltung auftreten ? Ist dann die Nutzungsentschädigung ungeschmälert zu zahlen oder tritt eine Kürzung entsprechend § 536 BGB (Mietminderung wegen Mängeln) ein ?


Der BGH tendiert dazu, dass die die Nutzungsentschädigung ungekürzt zu zahlen ist, stellt aber auf die Umstände des Einzelfalls ab. Anderes soll dann gelten, wenn im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses der Vermieter nach Treu und Glauben gehalten wäre, den Mangel zu beseitigen.


Der BGH verwies insoweit auf seine ältere Rechtsprechung:


Zahlt der (ehemalige) Mieter jeweils rechtzeitig die Nutzungsentschädigung und entsteht dem Vermieter (damit) kein Schaden, ist der Vermieter weiter zur Versorgung mit Strom, Wasser und Heizenergie verpflichtet. Darauf bezogen nimmt der BGH an, dass im Abwicklungsverhältnis Maßnahmen für eine Instandsetzung oder –haltung über die Erfüllung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten gegenüber Dritten hinausgehend erforderlich wäre, dass akute und schwerwiegende Gefahren für Leben, Gesundheit oder „hohe Eigentumswerte“ des Mieters bestünden. Allerdings wäre auch hier zu berücksichtigen , dass es der (ehemalige) Mieter selbst zu vertreten habe, dass er noch im Besitz der Mietsache ist und damit sich selbst dieser drohenden Gefahr aussetzt.


Es müsse mithin nach Auffassung des BGH eine Fallkonstellation vorliegen, in der die Vorenthaltung der Mietsache durch den (ehemaligen) Mieter in einem günstigeren Licht betrachtet werden könne, was dann der fall wäre, wenn die Vollstreckungsschutzvorschriften dem Mieter die Weiterbenutzung gestatten würden oder jedenfalls der Mieter im Rahmen des Streits um die Wirksamkeit der Kündigung nachvollziehbar hätte davon ausgehen können, weiterhin zum Besitz berechtigt zu sein.


Im konkreten Fall hat der BGH mit den Vorsinstanzen das „Minderungsrecht“ auf die Nutzungsentschädigung aus den benannten Gründen negiert.


Modernisierungs-Mieterhöhung wegen Aufzugseinbau  und Mietminderung wegen Entfalls des Trockenbodens

LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 16.05.2017 - 67 S 81/17 -

Der Einbau eines  Aufzugs stellt sich nicht stets als eine eine Mieterhöhung nach §§ 559, 555b BGB rechtfertigende Modernisierung dar, insbes. dann nicht, wenn der Haltepunkt des Aufzugs nicht auch auf der Etage der angemieteten Wohnung liegt (u.a. fehlende Barrierefreiheit).

 

 

Der Mieter kann die Miete mindern, wenn für den Einbau des Aufzugs der allen Mietern bisher zur Verfügung stehende Trockenboden entfernt wird, unabhängig davon, ob dieser bisher vom Mieter genutzt wurde oder nicht (Minderung: 2%).


Wirtschaftlichkeit bei Anmietung in neuem Einkaufszentrum und Vertragsgrundlage

OLG Koblenz, Beschluss vom 14.04.2015 - 5 U 1483/14 -

Einkaufszentren werden weiterhin gebaut, sei in Innenstädten, an Stadträndern oder gar „auf der grünen Wiese“. Ihr Schicksal ist ungewiss: Wird das Einkaufszentrum vom Verbraucher angenommen und – wenn ja – wie lange dauert es ? Damit geht der Mieter ein wirtschaftliches Risiko ein. Für dieses wirtschaftliche Risiko ist aber in der Regel nicht der Vermieter haftbar. In Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BGH vom 19.07.2000 – XII ZR 176/98 bestätigt das OLG Koblenz in seiner Entscheidung die Entscheidung des BGH, , wonach der Vermieter für das Ausbleiben des erwarteten Kundentroms verantwortlich sein kann. Der Entscheidung des BGH lag eine Klausel im Mietvertrag zugrunde, derzufolge die Vermieterin die Aufgabe der Organisation eines objektbezogenen Center-Managements übernommen hatte, wodurch „die Voraussetzungen und Grundlagen für den wirtschaftlichen Erfolg des Objekts geschaffen und gefördert werden“ sollten. In dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall fehlte es an einer solchen oder ähnlichen Formulierung. Es fehle in dem Vertrag jeder Hinweis auf eine (zugesagte) bestimmte Kundenfrequenz. Auch war nicht eine bestimmte Werbemaßnahme (durch den Vermieter) vorgesehen. Auch aus den Vertragsverhandlungen ließe sich dies nicht entnehmen. Da das Einkaufszentrum neu war, wie der Mieter wusste, sei auch die Behauptung des Mieters lebensfremd, eine bestimmte Kundenfrequenz, für die es schließlich keine Erfahrungswerte geben könne, sei zugesagt worden. Auch soweit der beklagte Mieter auf den Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten zur Centerwerbung hinweise, ließe sich daraus nichts herleiten, da der Dritte nicht Erfüllungsgehilfe des klagenden Vermieters sei. 


Mietminderung bei Außenlärm ?

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.12.2014 - 2-11 S 240/14 -

BGH, Urteil vom 29.04.2015 - VIII ZR 197/14 - 

Kann Außenlärm eine Mietminderung rechtfertigen ?  Während sich das LG Frankfurt am Main mit einer Gro0baustelle in der Nachbarschaft auseinandersetzen musste, ging es in einer Entscheidung des BGH um einen Schulhof-Bolzplatz. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass in den von ihnen zu behandelnden Fällen ein Minderungsrecht nicht besteht, da zum Einen es an einer entsprechenden, eine Lärmimmission entgegenstehenden Vereinbarung ermangelte, zum Anderen die Möglichkeit der Baulärmimmission für den Mieter bei Vertragsschluss erkennbar gewesen sein soll (LG Frankfurt a.M.) bzw. der Mieter mit Änderungen der nachbarlichen Verhältnisse  rechnen muss und deshalb nur ein Mangel vorliegt, wenn der Vermieter dagegen erfolgreich vorgehen könnte (BGH).


Der Entscheidung des LG Frankfurt lag zugrunde, dass in der Nachbarschaft zum Mietobjekt eine Großbaustelle entstand. Während es sich dabei letztlich um einen zeitlich begrenzten Lärm durch die Baumaßnahmen handelte, musste sich der BGH mit Lärm von  einem nachträglich eingerichteten Bolzplatz  auf einem Schulhof auseinandersetzen.


In beiden Entscheidungen wird letztlich festgehalten, dass Lärm nicht notwendig eine Mietminderung rechtfertigt, wenn er von außen kommt. Allerdings sind die Ansatzpunkte, mit denen jeweils ein Minderungsrecht ausgeschlossen wurde, verschieden. Das LG Frankfurt stellte darauf ab, dass für den Mieter vor Vertragsabschluss ersichtlich gewesen wäre, dass in der Nachbarschaft Brachflächen existieren, „mit deren Bebauung insbesondere aufgrund der schon erfolgten Baumaßnahmen“  zu rechnen gewesen wäre. Da die Vertragsparteien weder konkludent noch ausdrücklich Absprachen gesprochen hätten, die eine Lärmentwicklung beträfen, könne deshalb die Miete nicht gemindert werden.  Demgegenüber stellte der BGH darauf ab, dass nachträgliche Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anderslautender Vereinbarungen grundsätzlich keinen eine Minderung rechtfertigenden Mangel darstellen, wenn auch der Vermieter diese Immissionen ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss; zudem wäre Kinderlärm nach § 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert und dies auch bei einer Mangelbeurteilung einer Wohnung zu berücksichtigen.


Beide Entscheidungen haben grundlegende Bedeutung und widersprechen sich auch in ihrer Begründung nicht. Die Entscheidung des BGH ist allerdings weitergehend.


Das Landgericht urteilte nach der Erkennbarkeit und hat von daher mangels anderweitiger Vereinbarung der Parteien zwar den Mangel nicht negiert, im Hinblick auf die Erkennbarkeit aber einen Minderungsanspruch des Mieters. Es hat dabei aber den Baulärm nicht als Mangel negiert. Den Kinderlärm hat allerdings der BGH als Mangel im Hinblick auf eine einschlägige Vorschrift bereits negiert, die in Bezug auf den Baulärm nicht greift.  Allerdings hat der BGH seine Entscheidung nicht nur auf die Privilegierung von kinderlärm gestützt, sondern auch davon abhängig gemacht, ob der Vermieter selbst Maßnahmen gegen die Lärmimmission erfolgreich ergreifen kann. Ist die nicht der Fall, kann der Mieter im Hinblick auf eine Lärmbeeinträchtigung auf Grund nachträglicher Änderungen der nachbarlichen Verhältnisse ein Mangel nicht angenommen werden. Mit dieser Entscheidung hat der BGH allgemeine Grundsätze für die Feststellung von Mietmängeln aus dem Bereich außerhalb des Mietobjekts aufgestellt, die vom LG Frankfurt a.M. in der bereits vorher ergangenen Entscheidung nicht berücksichtigt worden sind, in welcher auf einen konkreten Umstand abgestellt wurde, der letztlich nach § 242 BGB unabhängig von übrigen Fragen (wie sie der BGH jetzt aufstellt) die Berufung auf einen Mangel ausgeschlossen sein soll.


Damit lässt sich als Fazit festhalten:


Zu Lärmimmissionen von Außen darf es keine vertragliche Regelung der Parteien geben, da ansonsten an Hand dieser Regelung zu entscheiden ist, ob dem Mieter ein Minderungsrecht zusteht.


Ist für den Mieter bei Vertragsschluss erkennbar, dass es zu Baumaßnahmen kommt, kann er die Miete selbst dann bei Lärmimmissionen nicht mindern, wenn es sich um einen Mangel handelt, § 242 BGB.


Im übrigen können auch dann nachträgliche Veränderungen/Entwicklungen nicht die Voraussetzungen für einen Mangel begründen, wenn es sich zwar um /(auch dauerhafte) Lärmimmissionen handelt, der Vermieter aber selbst dagegen nichts unternehmen kann (dies dulden muss).