Rechtsprechung

Reiserecht


Zur Informationspflicht des Reiseveranstalters zu Witterungsverhältnissen

OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.08.2023 - 16 U 54/23 -

Die Klägerin hatte eine Minderung des Reisepreises geltend gemacht, da witterungsbedingt bei einer bei der Beklagten gebuchten Ecuadorrundreise (Festland) Sichtbeeinträchtigungen bestanden hätten. Das Landgericht hatte die Klage (mit Ausnahme für eine nicht durchgeführte Durchquerung einer Fledermaushöhle) abgewiesen; die Berufung der Klägerin wurde durch Beschluss gem. § 522 ZPO wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussichten zurückgewiesen.

 

Eine Informationspflicht des Reiseveranstalters zu Witterungsverhältnissen im Zielgebiet und damit zu damit einhergehenden Sichtbeeinträchtigungen habe nicht bestanden. Es würde die Möglichkeit bestehen, sich über die typischen Witterungsverhältnisse in einem Land zu bestimmten Jahreszeiten selbst zu informieren; hierüber müsse der Reiseveranstalter nicht aufklären. Das Internet biete eine kostenlose Möglichkeit, zudem (anders als eventuell Reiseführer) aktuelle Informationsmöglichkeit, zumal üblicherweise ein Reiseführer (der zudem zu bezahlen sei) regelmäßig erst nach der Entscheidung für ein Zielgebiet erworben würde.

 

Auch könne kein überlegener Wissensvorsprung des Reiseveranstalters eine Informationspflicht begründen, selbst wenn die Beklagte in Ecuador eine Reiseleitung unterhalte. So habe nach Angaben der Klägerin der Reiseleiter erklärt, dass die herrschenden klimatischen Verhältnisse im Dezember in Ecuador „normal“ seien, was zudem auch mit Angaben im Internet korrespondiere, wonach es in Ecuador in den nördlichen Küstenregionen mit tropischen Monsumklima eine ausgeprägte Regenzeit von Dezember bzw. Januar bis Mai und im Andenhochland zwar keine ausgeprägte Regenzeit gäbe, allerdings die Monate November bis Mai als die regenreichsten (mit häufigen Regen nachmittags) gelten würden. Das OLG verwies auf Wikipedia, wetter-atlas.de und wetterkontor.de.   In der Regenzeit könne es auch wiederholt zu Starkregen kommen, der auch länger anhalten könne und je nach damit verbundener Luftabkühlung mit starker Nebelbildung verbunden sein. Dies sei Mitgliedern des Senats bekannt, die zu Regenzeiten in Lateinamerika gewesen seien.

 

Damit ließe sich eine Beratungspflicht des Reiseveranstalters hinsichtlich örtlich üblicher Witterungsbedingungen im Reisemonat auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, dass es sich um eine recht hochpreisige Reise gehandelt habe. Bestimmend für den Reisepreis sei primär gewesen, dass es sich gemäß der Reisebeschreibung um eine exklusive Privatreise der Klägerin und ihres Mitreisenden gehandelt habe und die Flugreise als sogen. Gabelflug in der Business-Class (mit Ausnahme des Inlandfluges) erfolgt sei, weshalb auch eine Störung des Äquivalenzverhältnisses angenommen werden könne, wenn von der Klägerin eigene Recherchetätigkeiten im Hinblick auf Witterungsverhältnisse im Zielgebiet erwartet würden.

 

Auch der Umstand, dass die Beklagte mit Vertragsabschluss die ordnungsgemäße Durchführung der Reiseleitung versprach, trage nicht. Denn die Witterungsverhältnisse hätten der Erbringung der in der Reisebeschreibung benannten Programmpunkten (mit Ausnahme der Durchquerung der Fledermaushöhle, für deren Entfallen das Landgericht eine Minderung zuerkannt hatte) nicht entgegengestanden. Der Charakter einer beschriebenen Erlebnisreise sei erhalten geblieben.

 

 

In dem die Berufung zurückweisenden vorangegangenen Hinweisbeschluss vom 13.06.2023 wies das OLG darauf hin, dass zu witterungsbedingten Verhältnissen etwas anders gelten würde, wenn sich für den Reisezeitraum eine atypische, unvorhergesehenen Wetterlage abzeichne und auf die vereinbarte Reiseleistung auswirken würde (so die Durchführbarkeit geplanter Fahrten oder Wanderungen). Insoweit treffe den Reiseveranstalter eine Erkundigungs- und Umweltbeobachtungspflicht und daraus abgeleitet eine Informationspflicht gegenüber dem Reisenden. Das aber läge hier nach dem Vortrag der Klägerin nicht vor. 


Leistungsbestimmung bei „Fahrt ins Blaue“ und Feststellung eines Reisemangels

BGH, Urteil vom 14.02.2023 - X ZR 18/22 -

Die Klägerin machte Minderungsansprüche wegen mangelhafter Reisleistungen geltend. Sie buchte für 11 Personen eine als „Fahrt ins Blaue“ beworbene Busreise mit Hotelübernachtung für den Zeitraum 13. bis 15.03.2020. Zu Beginn der Reise wurde den Teilnehmern ein Reiseprogramm ausgehändigt, welches neben zwei Hotelübernachtungen in Hamburg, einer Führung im Speicherstadtmuseum und einer großen Hafenrundfahrt auch den Besuch des Musicals „Cirque du Soleil Paramour“ mit einer Veranstaltungsdauer von 2,5 Stunden vorsah. Am Nachmittag des Anreisetages wurde dann den Teilnehmern mitgeteilt, dass der Besuch des Musicals infolge Corona-Auswirkungen nicht stattfinde könne und statt dessen eine dreistündige Stadtrundfahrt durch Hamburg mit einer Reiseführerin stattfände.  Die Klägerin forderte eine Minderung von € 65 pro Teilnehmer (€ 715,00). Das Amtsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin sprach das Landgericht der Klägerin € 320,00 zu. Die zugelassene Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

 

Der Klägerin habe für die „Fahrt ins Blaue“ mangels näherer Angabe ein leistungsbestimmungsrecht für die Auswahl und Gestaltung zugestanden. Grundlage dafür sei nicht § 243 Abs. 1 BGB. Dies hätte eine Gattungsschuld vorausgesetzt. Eine solche läge nur vor, wenn die als gattungsmäßig in Betracht kommenden Leistungen durch gemeinsame Merkmale gekennzeichnet seien und sich dadurch von Gegenständen anderer Art abheben würden.  Bei einer „Fahrt ins Blaue“ fehle es an gattungsbestimmenden Markmalen, die die Aussonderung eines Leistungsgegenstandes mittlerer Art und Güte erlauben würden. Indem sich die Beklagte als Reiseleitung vorbehalten habe, die Reiseleistungen erst nach Abschluss des Reisevertrages festzulegen, habe sie sich ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB ausbedungen, dass sie mangels anderweitiger Vereinbarungen nach billigen Ermessen habe ausüben dürfen. Ein solches Recht könne auch bei Pauschalreiseverträgen vereinbart werden (BGH, Urteil vom 10.12.2014 - X ZR 24/13 - zu Abflugzeiten; etwas anderes gelte auch nicht für Reiseziele und Programmpunkte).

 

Die Leistungsbestimmung erfolge nach § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen teil (hier: Reisenden). Dies sei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die unwiderruflich sei (BGH, Urteil vom 24.01.2022 - IX ZR 228/00 -). Vorliegend habe die Beklagte ihr Bestimmungsrecht nicht erst (konkludent) mit der tatsächlichen Leistungserbringung ausgeübt, sondern bereits mit der Aushändigung des Reiseprogramms bei Antritt der Busreise. Dort sei unter der Überschrift „Ihr persönliches Reiseprogramm“ der Besuch des Musicals als Höhepunkt der reise benannt. Anhaltspunkte dafür, dass das Reiseprogramm nur vorläufigen Charakter haben soll und einzelne Programmpunkte oder gar der Reisehöhepunkt austauschbar sein sollten, gebe es nicht. Bei verständiger Würdigung aus Empfängersicht habe die Mitteilung des Reiseprogramms als Festlegung des zuvor noch unbestimmten Inhalts der gebuchten „Fahrt ins Blaue“ aufgefasst werden dürfen.

 

Zu Recht habe das Landgericht im Berufungsverfahren den Ausfall des Programmpunktes Musical als minderungsberechtigten Reisemangel angesehen. Insoweit läge kein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit iSv. § 275 BGB vor.  Würde bei einer Pauschalreise eine nach dem Vertrag geschuldete Leistung aus Gründen, die nicht allein in der Person des Leistenden läge, ganz oder teilweise nicht erbracht, handele es sich grundsätzlich um einen Reisemangel (BGH, Urteil vom 20.03.1986 - VII ZR 187/85 -). Dabei sei ohne Belang, ob dem Reiseveranstalter ein Verschulden träfe oder ob die Erbringung aus Umständen nach Vertragsabschluss unmöglich geworden sei.

 

Die Stadtrundfahrt böte auch für den Musicalbesuch keine gleichwertige und gleichartige Ersatzleistung.

 

Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB würden nicht greifen. Das Pauschalreiserecht enthalte umfassende Regelungen über die Folgen von Störungen der erbrachten Leistung. Wie insbesondere § 651h Abs. 3 BGB zeige würden auch Störungen berücksichtigt, die auf außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Umstände zurückzuführen seien. Eine ergänzende Heranziehung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage scheide daher aus.

 

 

Der Minderungsbetrag sei auch korrekt berechnet worden (wird ausgeführt).


Reiseausfall, Corona und fehlender Hinweis auf kostenlosen Rücktritt, § 651h BGB

OLG Frankfurt, Urteil vom 15.09.2022 - 6 U 191/21 -

Die Beklagte war Reiseveranstalterin, bei der online Pauschalreisen gebucht werden konnten. Im Zeitraum vom 28.05. bis 08.07.2020 befand sich auf ihrer Internetseite unter einem mit „Aktuelle Corona-Informationen finden Sie hier“ versehener Link, in dem auf die derzeit schwierige Erreichbarkeit der Beklagten verwiesen wurde und Gäste mit einer Abreise bis 30.06.2020 in der Reihenfolge der Abreise unaufgefordert kontaktiert würden, ferner, dass man sich freuen würde, wenn die Reise um ein Jahr verschoben würde. Es wurde gebeten, von Anfragen abzusehen, „bis das Schreiben bei Ihnen ist“. Der Kläger, der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer, erhob eine Unterlassungsklage, da er die Ansicht vertrat, die Kunden würden dadurch davon abgehalten, ihre Reise gegen Rückerstattung des Reisepreises zu stornieren. Die Klage und die gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Berufung blieben erfolglos.

 

Ein Unterlassungsanspruch würde sich nicht aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG iVm. § 651h Abs. 3 BGB ergeben. Dabei ließ es das OLG auf sich beruhen, ob § 651h Abs. 3 UWG eine Marktverhaltensregelung sei (was wohl der Fall sei, da sie dem Schutz der Kunden als Verbraucher diene). Jedenfalls läge ein Verstoß gegen § 651h Abs. 3 UWG nicht vor.

 

§ 651h Abs. 1 S. 3 BGB regele eine Entschädigungspflicht, die der Kunde dem Veranstalter im Falle seines Rücktritts vom Reisevertrag zahlen müsse. Des gelte dann nicht, wenn nach § 651h Abs. 3 BGB am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbaren außergewöhnliche Umstände auftreten würden, die die Durchführung der Pauschalreise oder der Beförderung von Personen erheblich beeinträchtigen. Das sei bei Umständen der Fall, die die Partei, die sich darauf beruft, auch bei allen zumutbaren Vorkehrungen nicht beeinflussen könne. Der benannte Hinweise sei an Kunden gerichtet worden, deren Reise wegen der Coronakrise nicht hätte durchgeführt werden können. Ein Rücktritt des Veranstalters läge offenbar aber nicht vor, weshalb § 651h BGB nicht zur Anwendung käme. Allerdings habe für die Reisenden die Möglichkeit zum Rücktritt bestanden, wobei unterstellt werden könne, dass die Corona-Pandemie in der fraglichen Zeit ein unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstand war, der die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigt habe, weshalb keine Entschädigung zu zahlen wäre und der Reisepreis zurückverlangt werden konnte.  

 

Der Kläger habe aber nicht dargelegt, dass die Beklagte unter Verstoß gegen § 651h Abs. 3 BGB gleichwohl eine Entschädigung verlangt habe oder sich in Ansehung eines solchen Anspruchs geweigert habe, den Reisepreis zu erstatten. Es käme im Rahmen des § 651 Abs. 3 BGB nicht darauf an, ob die Beklagte durch ihre Verlautbarung verschleiert habe, dass eine Möglichkeit zum kostenlosen Rücktritt bestand. Eine Aufklärungspflicht des Reiseveranstalters über die entschädigungslose Rücktrittsmöglichkeit ließe sich § 651h Abs. 3 BGB nicht entnehmen und dass ein entschädigungsloser Rücktritt nicht akzeptiert würde ließe sich der Verlautbarung nicht entnehmen. Damit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit ihrer Verlautbarung ein Rücktrittsrecht vereitelt oder gezielt erschwert hätte.

 

Ebenso wenig könne sich der Kläger für das Unterlassungsbegehren auf §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG berufen. Die Hinweise in der Verlautbarung würden keine Irreführung über Rechte der Verbraucher im Hinblick auf die coronabedingt nicht durchgeführten Reisen bewirken. Die Angaben seien nicht blickfangmäßig herausgestellt und müssten im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Vielmehr habe sich die Beklagte zunächst dafür bedankt, dass viele der Kunden ihre Wunschreise auf das nächste Jahr verschoben hätten und man wisse es zu schätzen, dass viele auch ihre Solidaritätsbekundung durch die hohe Anzahl von Annahmen des Reisegutscheins zum Ausdruck gebracht hätten. Nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnis deute dies darauf hin, dass die Umbuchung optional und freiwillig sei. Auch der Hinweis eine Kontaktierung der Gäste in der Reihenfolge ihrer Abreise mit der Bitte um Verschiebung der Reise um ein Jahr und der weiteren Bitte, von Rückfragen bis zum Zugang des Schreibens zu warten, könne der situationsadäqaut aufmerksame Durchschnittsverbraucher nicht dahingehend verstehen, dass kein Rücktrittsrecht und keine kostenlose Stornierung möglich sei.

 

Soweit die Beklagte auf die auf der Internetseite benannten Themen „Wo finde ich detaillierte Informationen zum Corona-Virus“ und „Wie schütze ich mich richtig“ verweist, würde auch nicht ableiten, dass die Beklagte auf diesen Seiten umfassend und abschließend den Verbraucher über seien Rechte informieren wolle. E fänden sich dort nur Links zum Robert-Koch-Institut und dem Auswärtigen Amt zur gesundheitlichen Lage in Deutschland und im Reiseland. Der Verbraucher erwarte hier nicht Aufklärung über mögliche reisevertragliche Ansprüche.

 

Auch habe die Beklagte keine Informationen (so zum Rücktrittsrecht“ vorenthalten, die iSv. §§ 3, 5a Abs. 2 Nr. 2m 8 Abs. 1 UWG wesentlich wären. Zu Zeitpunkt der Publizierung bestand nach § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG a.F. zwar eine Verpflichtung, über das Bestehen eines gesetzlichen Rechts zum Rücktritt oder Widerruf aufzuklären; diese hätten sich aber nur auf Angebote zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses (hier Reisevertrag) bezogen. Die vorliegend angegriffenen Passagen beträfen aber den Bereich der Abwicklung.  

 

Im Falle von Leistungsstörungen würde nach § 5a UWG keine grundsätzliche Verpflichtung bestehen, den anderen Vertragsteil umfassend über seine Rechte (hier kostenloses Rücktrittsrecht) aufzuklären. Auch aus Art. 240 § 6 Abs. 1 EGBGB ließe sich eine Informationspflicht zu Gutscheinen nicht herleiten, da diese Norm erst nach Einstellung des online-Angebots in Kraft getreten sei.

 

 

Ein Anspruch ließe sich auch nicht aus §§ 3, 4a, 8 Abs. 1 UWG herleiten. § 4a Abs. 1 S. 1 UWG verbiete aggressive geschäftliche Handlungen, die geeignet wären, den Verbraucher zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Derartiges liege nicht vor. Die Formulierungen würden keinen Druck auf den Verbraucher ausüben und er würde nicht von naheliegenden Überlegungen abgehalten, ob er überhaupt eine Umbuchung will oder einfach  storniert. Aus Sicht des Verbrauchers habe die Beklagte lediglich eine Bitte geäußert. Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit sei nicht gegeben.


Reisewarnung ist für entschädigungslosen Reiserücktritt nicht notwendige Voraussetzung (hier: Corona in Italien)

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.08.2020 – 32 C 2136/20 (18)

Der Kläger hatte eine Pauschalreise auf die italienische Insel Ischia im Mai 2019 mit Hin- und Rückflug Hamburg - Neapel bei der Beklagten, einem Reiseveranstalter, gebucht. Mit Mail vom 07.03.2020 stornierte er die Buchung u.a. mit Verweis auf die „außergewöhnlichen Umstände in Italien“. Die Beklagte bestätigte die Stornierung und begehrte Stornierungskosten. Da der Kläger bereits den Reisepreis entrichtet hatte, erhob er Klage auf den insoweit von der Beklagten begehrten Betrag, den diese nicht zurückgezahlt hatte.

 

Das Amtsgericht bejahte den Anspruch. Zunächst bestünde das freie Rücktrittsrecht, § 651 Abs. 1 S. 1 BGB. Die allgemeinen Wirkungen eines Rücktritts in § 346 BGB würden in den reiserechtlichen Sonderregelungen des § 651h Abs. 1 bis 3 BGB dahingehend modifiziert, dass der Reiserveranstalter seinen Anspruch auf Reisevergütung verliert, er aber eine angemessene Entschädigung verlangen könne.  § 651h Abs. 2 BGB sähe allerdings vor, dass der Reiseveranstalter vor Reisebeginn keine Entschädigung verlangen könne, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten würden, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

 

Für die Corona-Krise will das Amtsgericht zur Beurteilung, ob ein außergewöhnliches Ereignis vorliegt/vorlag darauf abstellen, wann der Kläger zurückgetreten ist und ob die Gegebenheiten zu dieser Zeit bereits als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren waren. Es sei eine Prognoseentscheidung, bei der es auf eine ex-ante-Betrachtung ankäme. Bei einem übereilten Rücktritt würde es bei der Entschädigungspflicht gem. § 651h Abs. 1 S. 3 BGB verbleiben, auch wenn sich später eine Betroffenheit der Reise von außergewöhnlichen Ereignissen ergäbe, die den entschädigungslosen Rücktritt legitimiert hätten.

 

 

Bei der Beweisführung sei der Reisende nicht zu überfordern. Nicht erforderlich sei, dass bereits Reisewarnungen für das Reiseziel vorlägen. Ausreichend sei eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Gesundheitsgefährdung. Dies sei zum Zeitpunkt des Rücktritts durch den Kläger der Fall gewesen (was dann im Urteil im Einzelnen näher ausgeführt wird). 


Zur Unschädlichkeit verspätet geltend gemachter Schadensersatzansprüche und fehlender Fristsetzung zur Abhilfe

BGH, Urteil vom 03.07.2018 - X ZR 96/17 -

Die Klägerin hatte mit der Beklagten einen Reisevertrag geschlossen. In den Beförderungsbedingungen der Beklagten war ausgeführt, dass der reisende bei nicht vertragsgemäßer Leistung Abhilfe verlangen könne und er daher verpflichtet wäre, alles ihm zumutbare zu tun, um zu einer Behebung der Störung beizutragen und einen evtl. Entstehenden Schaden gering zu halten bzw. zu vermeiden. Beanstandungen seien daher anzuzeigen.

 

Nach dem Reisevertrag sollte der Rückflug von  Antayla nach Frankfurt am 07.10.2014 um 20.05 erfolgen. Am Abreisetag wurde die Klägerin informiert, dass sich der Rückflug wegen eines technischen Problems auf 22.40 Uhr verschiebe und der neue Zielort Köln sei. Die tatsächliche Ankunftsverspätung in Frankfurt betrug rund 6,5 Stunden. In Ansehung der Ankündigung der Beklagten buchte die Klägerin einen Ersatzflug bei einer anderen Fluggesellschaft für denselben Abend nach Frankfurt. Die Mehrkosten des Fluges in Höhe von € 1.235,00 verlangte sie am 18.03.2015  von der Beklagten als Schadensersatz. Klage und Berufung blieben erfolglos.

 

Der BGH verurteilte die Beklagte auf die zugelassene Revision antragsgemäß. Die Erwägungen des Landgerichts seien in einem entscheidungserheblichen Punkt verfehlt.

 

Richtig habe das Landgericht erkannt, dass ein Reisemangel vorgelegen habe. Die Verschiebung der Abflugzeit um rund drei Stunden, die Ankunft an einem anderen Zielflughafen, der notwendige Bustransfer und die Folge des Zeitverlusts, der dazu führe, dass die Klägerin erst in den Morgenstunden des Folgetages zu Hause gewesen wäre, würden den Reisemangel begründen, da dies die Tauglichkeit der Reise zu dem gewöhnlichen Nutzen in ihrer Gesamtheit mindere.

 

Auch sei die landgerichtliche Entscheidung richtig, dass die Überschreitung der Monatsfrist zur Geltendmachung des Schadens hier unbeachtlich sei, da die Beklagte über diese Ausschlussfrist informierte und die widerlegbare Vermutung gilt, dass bei korrekter Information die Frist eingehalten worden wäre. Zwar habe die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf diese Frist hingewiesen; dies genüge aber nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 8 und Abs. 4 BGB-InfoV. Es hätte ein Hinweis in der Reisebestätigung erfolgen müssen; in einem Prospekt genüge der Hinweis nur dann den Anforderungen, wenn die einschlägige Fundstelle dort auch benannt würde.

 

Auch sei die Erforderlichkeit der Aufwendungen durch das Landgericht rechtfehlerfrei festgestellt worden.

 

 

Entgegen der Annahme des Landgerichts stünde hier aber dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, dass diese entgegen § 651c Abs.  3 Satz 1 BGB die Beklagte nicht unter Fristsetzung zur Abhilfe aufgefordert habe. Diesbezüglich habe es an einem ordnungsgemäßen Hinweis mit dem in § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV ermangelt. Danach habe der Reiseveranstalter den Reisenden in der Reisebestätigung darauf hinzuweisen, dass er einen Mangel anzuzeigen habe und vor einer Kündigung des Reisevertrages grundsätzlich eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen habe. Dies geschah nicht; nur in den AGB sei pauschal darauf hingewiesen worden. Dies genüge den Anforderungen nicht. Damit könne die Beklagte nicht eine Pflichtverletzung der Beklagten wegen fehlenden Abhilfeverlangens und Fristsetzung geltend machen. Die notwendige Erkenntnismöglichkeit fehle dem Reisenden.


Anzeige des Mangels auch bei Kenntnis des Veranstalters

BGH, Urteil vom 19.07.2016 – X ZR 123/15 -

§ 651d Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Minderung des Reisepreises nicht eintritt, soweit der Reisende schuldhaft die Anzeige des Mangels unterlassen hat. Vorliegend minderte der Kläger den reisepreis wegen Bauarbeiten auf einem vom gebuchten Hotel benachbarten Grundstück. Die Minderung betraf den gesamten Reisezeitraum vom 12. Bis 25.09.2014; eine Beanstandung durch den Kläger gegenüber der Reiseleitung erfolgte erst am 22.09.2016. Während das Berufungsgericht in Ansehung der bestehenden Kenntnis des Reiseveranstalters von den beanstandeten Umständen eine Minderung für den gesamten Zeitraum bejahte, wurde dies vom BGH für die Zeit bis zur formalen Mängelmitteilung negiert.

 

Der BGH stellt auf den Wortlaut des § 651d Abs. 2 BGB ab. Dieser beinhalte eine Obliegenheit des reisenden zur Anzeige eines Reisemangels. Die Anzeige soll dem Veranstalter die Möglichkeit zur Abhilfe geben. Damit läge die Mängelrüge im Interesse des Reiseveranstalters, um Gewährleistungsansprüche zu vermeiden oder zu begrenzen. Es läge auch im wohlverstandenen Interesse des reisenden, der einen möglichst ungestörten Urlaub verbringen will, statt stillschweigend Mängel in Kauf zu nehmen um späterhin daraus Ansprüche herzuleiten.

 

Die Mängelanzeige sei nur entbehrlich, wenn dem Reiseveranstalter eine Abhilfe nicht möglich war oder er von vornherein unmissverständlich zu verstehen gibt, zur Abhilfe nicht bereit zu sein. Die reine Kenntnis des Reiseveranstalters sei aber für eine Anerkennung des Minderungsrechts ohne Rüge ausgeschlossen.

 

Dies folgert der BGH daraus, dass zwar der Reiseveranstalter bei Kenntnis auch ohne Rüge des Reisenden Abhilfe schaffen könne. Ein Unterlassen bedeute aber noch nicht, dass er nicht willens sei. § 536c BGB, wonach der Mieter einem Vermieter den diesen bekannten Mangel zur Wahrung seiner Rechte nicht anzeigen müsse, sei nicht übertragbar, da § 536c BGB bezwecke, die Mietsache vor Schäden zu bewahren. Demgegenüber sei Zielsetzung des § 651d Abs. 2 BGB nur darin, dem Reiseveranstalter die Möglichkeit der Prüfung und Feststellung zu geben, ob er den Mangel beheben oder auf andere Weise Abhilfe schaffen könne.

 

 

Anmerkung: Der Entscheidung kann nicht zugestimmt werden. Der BGH geht auf die Verschuldensproblematik des § 651d Abs. 2 BGB nicht ein. Wenn der Vermieter den Mangel (hier: Baustellenlärm) positiv kennt, gleichwohl weder etwas gegen den Lärm unternimmt noch auf sonstige Art Abhilfe schafft, darf wohl der Reisende von einem Unwillen des Reiseveranstalters ausgehen. Er muss nicht davon ausgehen, dass der Reiseveranstalter hier bei einem objektiven Mangel bis zu einer Rüge zuwartet, um erst dann tätig zu werden, da dies treuwidrig wäre. Letztlich bestätigt sich dies vorliegend auch dadurch, dass der Reiseveranstalter auch nach der Rüge untätig blieb, weshalb sein späteres Verhalten jedenfalls indiziell auch dahingehend gewürdigt werden könnte,, dass er keinesfalls eine Abhilfe vor hatte und sich deshalb nicht auf die Formalie des § 651d Abs. 2 BGB beziehen kann. Gleichwohl wird der Reisende die Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen haben und sollte mithin stets sofort mögliche Beeinträchtigungen rügen, wobei es zur Beweissicherung sinnvoll wäre, dies schriftlich zu tun und sich von der Reiseleitung vor Ort durch Unterschrift bestätigen zu lassen. 


Verantwortlichkeit für die Gültigkeit des eigenen Reisepasses

BGH, Urteil vom 20.05.2014 - X ZR 134/13 -

Der Reisende ist für die erforderliche Gültigkeit seines Reisepasses für die Einreise in ein Land selbst verantwortlich. Eine Prüfungs- oder Hinweispflicht obliegt hier nach dem Urteil des BGH vom 20.05.2014  dem Reiseveranstalter nicht. Dieser muss nur über die zu wahrenden Formalitäten für die Einreise allgemein hinweisen, nicht aber darauf, dass es eventuell im Heimatstaat des Reisenden beschränkte Gültigkeiten für den Reisepass gibt. Es ist Aufgabe des Reisenden zu prüfen, ob er mit dem Pass einreisen kann; die Frage der Gültigkeit des Reisepasses hat keinen Bezug zu den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Reisezieles oder Transitlandes, über die lediglich der Reiseveranstalter informieren muss.