Rechtsprechung > Schadensersatz

Verkehrsunfallrecht (3)


Haftungsquotelung bei Kollision mit geöffneter Fahrzeugtür

OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.07.2024 - 3 U 16/24 -

Das Beklagtenfahrzeug parkte in einer am rechten Fahrbahnrand belegenen Parkbucht. Bei der Vorbeifahrt kollidierte das Klägerfahrzeug mit der hinteren linken (geöffneten) Tür des Beklagtenfahrzeugs. Das Landgericht wies die auf Schadensersatz gerichtete Klage ab. Das Berufungsgericht nahm eine Haftungsverteilung vor.

 

Das Berufungsgericht schloss sich der vom Erstgericht vertretenen Auffassung an, dass sowohl die Kläger- wie auch die Beklagtenseite für die Folgen des Unfalls gem. §§ 7, 17, 18 StVG iVm. 115 VVG einzustehen hätte, da die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden seien und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis iSv. § 17 Abs. 3 StVG darstelle.

 

Richtig habe auch das Erstgericht im Rahmen der danach nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Haftungsverteilung einen Verstoß der Beklagten zu 2. Gegen § 14 S. 1 StPO angenommen habe, sei dies ebenfalls zutreffend. Wer ein- oder aussteigt müsse sich gem. § 14 S. 1 StPO so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Die Norm würde dem fließenden Verkehr schützen und verlange vom Aussteigenden ein Höchstmaß an Sorgfalt. Diese Sorgfaltsanforderung ende beim Einsteigen erst mit dem Schließen der Tür und beim Aussteigen erst mit dem Schließen der Tür du dem Verlassen der Fahrbahn. Situationen beim Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür würden davon auch umfasst, so auch ein beugen in das Fahrzeug, um Gegenstände auszuladen (BGH, Urteil vom 06.10.2009 - VI ZR 316/08 -). Ein Aussteigen zur Fahrbahnseite müsste so schnell wie möglich wegen der damit verbundenen besonderen Gefahrensituation durchgeführt werden und die Tür dürfe dabei nicht länger offengelassen werden als unbedingt notwendig (OLG Celle, Urteil vom 04.12.2019 - 14 U 127/19 -).  

 

Käme es im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Ein- oder Aussteigevorgang zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- bzw. Aussteigenden (BGH aaO.).


Ein zu geringer Seitenabstand würde den Anscheinsbeweis nicht bereits erschüttern. Zwar habe der BGH aaO. offengelassen, ob in einem solchen Fall der Anscheinsbeweis erschüttert sei, wenn sich der Aus-/Einsteigende bei dem Vorgang vergewisserte, dass sich kein rückwärtiger Verkehr nähere und der Unfall einzig auf den geringen Seitenabstand zurückzuführen sei. Hier allerdings läge der Fall anders, da die Zweibeklagte kein herannahendes Fahrzeug gesehen haben will obwohl sie sich nach dem rückwärtigen Verkehr vergewissert habe, der Sachverständige allerdings feststellt habe, dass sie in diesem Fall das klägerische Fahrzeug zu sehen gewesen wäre. Zudem ließe sich der Einlassung der Zweitbeklagten nicht entnehmen, dass sie nicht nur bei Öffnen der Tür, sondern fortwährend auch danach über rückwärtigen Verkehr vergewisserte, um ggf. die Tür wieder zu schließen

 

 

Das Erstgericht hatte einen unfallursächlichen Verstoß auf Klägerseite gegen § 1 Abs. 2 StVO wegen eines unzureichenden Seitenabstandes beim Vorbeifahren angenommen, da die geöffnete Tür zu sehen gewesen sei.  Dies sah das Berufungsgericht als zweifelhaft an, da offen se, ob die Tür im Zeitraum der Vorbeifahrt weiter geöffnet wurde und ob der der Klägerseite zur Verfügung stehende Verkehrsraum überhaupt einen weiteren Seitenabstand zugelassen habe. Dies ließ das Berufungsgericht offen, da auch bei einem unzureichenden Seitenabstand im Rahmen der Haftungsabwägung der klägerische Haftungsanteil allenfalls – wie von der Berufung zugrunde gelegt – der klägerische Haftungsanteil 50% betrage. Ein höherer Haftungsanteil scheide aus, da nicht auszuschließen sei, dass die Tür unmittelbar vor der Kollision weiter geöffnet wurde und von daher nicht feststehen würde, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs die wesentliche Ursache für die Kollision gesetzt habe. 


Unklare Verkehrslage beim Abbiegen in Grundstück; Haftungsabwägung mit Überholenden

OLG Schleswig, Urteil vom 06.02.2024 - 7 U 94/23 -

Der Versicherungsnehmer der Beklagten beabsichtigte mir seinem Pkw nach rechts in sein Grundstück abzubiegen, weshalb er seine Geschwindigkeit reduzierte, nach rechts blinkte und das Fahrzeug zunächst etwas nach links zur Fahrbahnmitte (die Fahrbahn hatte keine Mittelmarkierung) hin lenkte. Zu gleichen Zeit setzte der Kläger zum Überholen (links) an. Als beide Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe waren, machte der Versicherungsnehmer der Beklagten eine weitere Lenkbewegung nach links (sogen. Linksschwenk) und es kam zur seitlichen Kollision der Fahrzeuge. Das Landgericht nahm eine Haftungsquote der Beklagten zu 60% an und gab dieser, unter teilweisen Abzügen bei der Schadenshöhe, auf dieser Grundlage statt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab, insoweit es eine Haftungsquotelung von 40% zu 60% zu Lasten des Klägers annahm.

 

Der Versicherungsnehmer der Beklagten habe gegen § 9 Abs. 5 StVO (Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer beim Abbiegen in ein Grundstück) und § 9 Abs. 1 S. 2 StVO (Pflicht zum Einordnen nach rechts) verstoßen. Es käme dabei nicht darauf an, ob das Beklagtenfahrzeug dabei die (gedachte) Mittellinie überfahren habe, ebenso wenig wie es darauf ankäme, ob der Versicherungsnehmer der Beklagten der doppelten Rückschaupflicht nach § 9 Abs. 1 S. 4 StVO genügte.

 

Auf Klägerseite läge ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4a StVO (Pflicht zur Ankündigung des Überholens durch Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers) sowie gegen § 1 Abs. 2 StVO (allgemeines Gefährdungsverbot) vor. Hinzu käme, dass der Kläger bei unklarer Verkehrslage überholt habe (Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO). In der konkreten Situation sei ei n Überholen unzulässig gewesen. Eine unklare Verkehrslage läge vor, wenn nach den Umständen mit einem ungefährdeten Überholen nicht gerechnet werden könne. Das sei z.B. dann der Fall, wenn das Verhalten des Vorausfahrenden unklar sei. Die Unklarheit könne auch auf einem unaufmerksamen, unsicheren, fehlerhaften oder verkehrswidrigen Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers beruhen. Entscheidend seien die für den Überholenden erkennbaren äußeren Umstände (OLG Saarbrücken, Urteil vom 07.01.2003 - 3 U 258/02 -).

 

Nach Angaben des Klägers war diesem das Beklagtenfahrzeug bereits ab der Ortseinfahrt durch seine langsame Fahrweise aufgefallen, ferner soll das Beklagtenfahrzeug ein nicht vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug durchgelassen haben. Deshalb habe er, der Kläger, besondere Vorsicht walten lassen und einen größeren Abstand eingehalten, was belege, dass er die Notwendigkeit besonderer Vorsicht erkannt habe. Im weiteren Verlauf sei das Beklagtenfahrzeug bei gesetzten rechten Fahrtrichtungsanzeiger nach links gesteuert worden, was der Kläger wahrgenommen habe. In Ermangelung einer Mittelmarkierung sei für den Versicherungsnehmer der  Beklagten nicht eindeutig erkennbar gewesen, ob er sich noch innerhalb seiner Fahrspur befand, für den Kläger, ob ihm die gesamte Gegenfahrspur zur Verfügung stünde.

 

Damit sei ein Überholen unzulässig gewesen. Der Kläger hätte hier aufgrund von ihm wahrgenommener Unsicherheiten in der Fahrweise des Beklagtenfahrzeugs, dem Verkehrsverstoß beim Einordnen zum Abbiegen sowie den örtlichen Gegebenheiten (relativ schmale Fahrbahn ohne Mittelmarkierung) nicht mit einem gefahrlosen Überholen rechnen dürfen. In Ansehung des fehlerhaften Einordnens nach links war für den Kläger auch nicht ersichtlich, wie sich der Versicherungsnehmer der Beklagten weiter verhalten würde, da die (sich verwirklichte) Gefahr bestanden habe, dass dieser noch weiter nach links ausholen würde. Es würde sich um ein unzulässiges, aber weit verbreitetes Phänomen handeln, vor dem Rechtsabbiegen in Einfahrten nach links auszuholen. Zudem sei auch bei einem Einordnen zur Mitte und Reduzierung der Geschwindigkeit en falsches Blinken nach rechts bei einem beabsichtigten Abbiegen nach links denkbar.

 

Im Hinblick auf den Verstoß des Klägers gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO falle es nicht beträchtlich ins Geweicht und könne deshalb offen bleiben, ob im Überholen bei relativ geringem Platz und Abstand zugleich ein weiterer Verstoß des Klägers gegen § 5 Abs. 4 StVO (ausreichender seitenabstand beim Überholen) vorläge.

 

Bei der gebotenen Abwägung nach §§ 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 3 StVG sei darauf abzustellen, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei. Dabei seine eine Gewichtung der jeweiligen Verursachungsbeiträge bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGH, Urteil vom 28.02.2012 – VI ZR 10/11 -). Nur unstreitige oder zugestandene und bewiesene Umstände seien zu berücksichtigen, wobei jeder Halter dabei die Umstände beweisen müsse, die dem anderen zum Verschulden gereichen und sich auf den Unfall ausgewirkt haben.

 

Hier würden danach die Verstöße der Beklagtenseite gegen § 9 Abs. 1 S. 2, Abs. 1 S. 4 und Abs. 5 StVO zulasten der Beklagten wirken. Zu Lasten des Klägers würden die Verstöße gegen §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 3 Nr. 1 und 5 Abs. 4a StVO wirken. Der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag des Klägers im Rahmen seines unzulässigen und rücksichtslosen Überholmanövers überwiege dabei den Verursachungs- und Verschuldensbeitrag der Beklagtenseite. Zwar treffe die Beklagtenseite der verschärfte Haftungsmaßstab des § 9 Abs. 5 StVO (Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bei abbiegen in ein Grundstück), was in der Regel zu einer beträchtlichen Mithaftung oder auch alleinigen Haftung führe. Das unzulässige und gefährliche Überholen des Klägers unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO wirke aber noch schwerer, jedenfalls unter Berücksichtigung der begleitenden Umstände. Da davon auszugehen  sei, dass der Versicherungsnehmer rechtzeitig nach rechts blinkte und seine Geschwindigkeit reduzierte, treffe ihn lediglich die Haftung aus dem fehlerhaften Einordnen und dem weiteren Linksschwenk, was sich – so das OLG – als nachvollziehbar und häufig zu beobachtendes Manöver darstelle, um leichter in eine enge Grundstückseinfahrt hineinzufahren. Demgegenüber sei das Verhalten des Klägers über das unzulässige Überholmanöver hinaus gefährlich und rücksichtslos. Es sei aus einem zu geringen Abstand heraus ohne Ankündigung durch Blinken und unter starker Beschleunigung sowie mit einem geringen Seitenabstand erfolgt. Zudem sei es an der Stelle auch vollkommen unverständlich und unnötig gewesen, da das Beklagtenfahrzeug wenige Meter und Sekunden später abgebogen wäre und der Weg für den Kläger frei gewesen wäre. 


Sonder- und Wegerechte des Rettungswagens im Einsatz (§ 35 StVO)

Schleswig-Holsteinisches OLG, Hinweisbeschluss vom 04.01.2024 - 7 U 141/23 -

In einem Kreuzungsbereich kam es beim Linksabbiegen des klägerischen Fahrzeugs zu einem Zusammenstoß mit einem Krankenrettungswagen, der das klägerische Fahrzeug auf der linken Fahrspur überholte. Der Rettungswagen befand sich im Einsatz und hatte 7,11 Sekunden und 127,7 m vor der Kollision Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet; er fuhr mit 75 km/h. Die Klägerin machte Schadensersatz mit einer Quote von 75% geltend. Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen; das OLG wies die Klägerin mit Beschluss gem. § 522 ZPO darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen. In dem Beschluss setzte sich das OLG mit Sonder- und Wegerechten nach der StVO auseinander.

 

Anspruchsgrundlagen könnten § 839 BGB Art. 34 GG als auch § 7 StVG sein, die hier allerdings nach Auffassung des OLG einen Haftungsanspruch nicht begründen würden.  

 

Eine Amtspflichtverletzung schloss das OLG aus, da die Geschwindigkeitsüberschreitung von ca. 100% (erlaubt waren 30 km/h) trotz der durch Blinklicht angekündigten Absicht bei dem klägerischen Fahrzeug, nach links abzubiegen, nach § 35 Abs. 5a StVO gerechtfertigt gewesen sei. Fahrzeuge des Rettungsdienstes seien von den Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten sei, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Die Beweislast für das Vorliegen einer Einsatzfahrt iSv. § 35 Abs. 5a StVO obliege zwar demjenigen, der sich auf eine Einsatzfahrt berufe (hier der Beklagten), doch sei der Beweis durch die Vorlage des Einsatzprotokolls und Angabe des Einsatzgrundes geführt worden. Diesem substantiierten Vortrag sei die Klägerin nicht entgegengetreten.

 

Es läge auch kein Verstoß gegen § 38 Abs. 8 StVO vor. Danach dürften Sonderrechte (wie hier) nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden, also mit größtmöglicher Sorgfalt. Die zu beachtende Sorgfalt des Einsatzfahrers steigere sich, je mehr er sich über allgemeine Verkehrsregeln hinwegsetze und dadurch Unfallgefahren erhöhe (KG, Urteil vom 25.04.2005 - 12 U 123/04 -). Da es sich der Unfall im Bereich einer gut einsehbaren Hauptstraße ereignete, begründe die Geschwindigkeitsüberschreitung keinen Verstoß gegen § 35 Abs. 8 StVO, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass sich der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs beim Linksabbiegen durch die doppelte Rückschaupflicht (§ 9 Abs. 1 StVO) vor dem Abbiegen über den rückwärtigen Verkehr hätte versichern müssen. Selbst sollte der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs Martinshorn und Blaulicht nicht wahrgenommen haben, habe der Einsatzfahrer darauf vertrauen dürfen, dass der Überholvorgang auf der Gegenspur bei Beachtung des § 9 Abs. 1 S. 4 StVO nicht gefährdend sei, da unstreitig kein Gegenverkehr vorhanden gewesen sei.

 

Ebenso negierte das OLG einen Anspruch aus § 7 StVG. Bei einem Verkehrsunfall von zwei Kraftfahrzeugen sei eine Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und dabei zu berücksichtigen, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei.

 

Der Beklagten sei in Ansehung von § 35 Abs. 5a StVO kein die vom Fahrzeug ausgehender, die Betriebsgefahr steigernder Verkehrsverstoß zur Last zu legen, demgegenüber dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs anzulasten sei, dass dieser gegen § 38 Abs. 1 StVO verstoßen habe, wonach die anderen Verkehrsteilnehmer und Martinshorn sofort „freie Bahn zu schaffen“ haben. Wie nun freie Bahn zu schaffen sei, hänge von den Umständen ab, wobei der Ausschluss einer Behinderung des Wegerechtsfahrzeugs alleinige Richtschnur für das Verhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer sein müsse (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.1991 - 1 U 129/90 -). Eine freie Bahn habe der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs auch nicht durch Auffahren auf die linke Fahrspur machen können, da diese frei gewesen sei. Sollte für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs nach rechts kein Platz mehr gewesen sein, hätte er stehen bleiben müssen.

 

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.


Haftung bei Brand des parkenden Fahrzeugs (§ 7 StVG)

BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 76/23 -

Hinter dem Fahrzeug des Klägers war auf einer Straße mit leichten Gefälle das Fahrzeug des Klägers abgestellt, dahinter das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug. In der Nacht entwickelte sich an beiden Fahrzeugen ein Brand, bei dem das klägerische Fahrzeug zerstört wurde. Das Landgericht wies die Schadensersatzklage des Klägers ab, der das Oberlandesgericht auf dessen Berufung im Wesentlichen stattgab. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück.

 

Der BGH wies darauf hin, dass Voraussetzung für eine Haftung (nach der hier einzig in Betracht kommenden Norm des § 7 StVG) sei, dass sich der Schaden „bei dem Betrieb“ ereignet habe. Erforderlich sei, dass bei wertender Betrachtung das Schadensereignis durch das Kraftfahrzeug (mit-) geprägt sei. Es müsse sich um einen Schaden handeln, für den nach dem Sinn der Haftungsnorm schadlos gehalten werden soll. Für die Zurechnung käme es darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung stehen würde. Von daher reiche bei einem Fahrzeugbrand der Umstand für sich, dass ein Kraftfahrzeug wegen mitgeführter Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brenne, nicht für eine Haftung nach § 7  Abs. 1 StVG aus.

 

Vorliegend habe sich der Vorfall nicht einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des bei der Beklagten versicherten Pkw ereignete.

 

Die Schädigung Dritter durch einen Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kfz gehöre zu den spezifischen Gefahren, für die § 7 StVG den Verkehr schadlos halten wolle. Dabei käme es nicht darauf an, ob der Brand, etwas durch den Kurzschluss  der Batterie, unabhängig von dem Fahrbetrieb vor, während oder nach der Fahrt eintrete. Denn jedenfalls sei – anders als bei einer vorsätzlichen Inbrandsetzung eines ordnungsgemäß zum Parken abgestellten Fahrzeugs – das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug selbst und die von ihm ausgehenden Gefahren (mit) geprägt worden.

 

Das Berufungsgericht habe zwar zutreffend festgestellt, dass das Parken eines Fahrzeugs zum Betrieb desselben gehöre. Der betrieb dauere fort, solange das Fahrzeug im Verkehr gelassen würde. Alleine die Anwesenheit eines Kfz an der Unfallstelle rechtfertige aber nicht die Annahme, ein Schaden sie bei dem betrieb des Fahrzeugs entstanden. Erforderlich sei vielmehr, dass die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zum Schaden beigetragen habe (BGH, Urteil vom 26.04.2005 - VI ZR 168/04 -).  Auch wenn hier der Brand auf das klägerische Fahrzeug durch Auslaufen von Benzin bei dem anderen Fahrzeug habe übergreifen können, da dieses zum klägerischen Fahrzeug lief und sich entzündete, reiche dies nicht. Als entscheidend sah der BGH die Ursache des Brandes bei dem schädigenden Fahrzeug an, die nicht habe festgestellt werden können.  

 

Das Berufungsgericht hatte es für die Haftung der Beklagten ausreichen lassen, dass die Brandursache ungeklärt bleib und eine Brandstiftung nicht habe nachgewiesen werden können, ferner das brennende Benzin zum klägerischen Wagen lief und diesen in Brand setzte. Damit habe das Berufungsgericht die haftungsbegründenden Voraussetzungen und die Beweislast des Klägers verkannt.

 

 

Für die haftungsbegründenden Voraussetzungen (hier nach § 7 Abs. 1 StVG) trage der Kläger die Beweislast. Ein Indizienbeweis könne ausreichend sein, wenn andere Schlüsse aus den Indiztatsachen ernstlich nicht in Betracht kämen. Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt habe,  der Nachweis einer Brandstiftung habe nicht geführt werden können,  sei das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft wohl davon ausgegangen, die beklagte hätte eine Brandstiftung nachwiesen müssen. Zwar könnte der Ausschluss einer Brandstiftung als Brandursache als Indiz dafür in Betracht kommen, dass  der Brand dem Betrieb des Fahrzeugs zuzurechnen sei; sei aber offen, ob eine Brandstiftung vorliegt, so wäre damit kein Indiz für die Ursächlichkeit des Betriebs gegeben.


Haftung bei Kollision bei Abbiegen in Straße mit mehreren Fahrtrichtungsfahrbahnen

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 20.10.2023 - 3 U 49/23 -

Der Kläger wollte nach links in eine doppelspurige Straße einbiegen, der beklagte Fahrer (nachfolgend Beklagter), der aus der Gegenrichtung kam, nach rechts. Der Kläger wollte auf der linken der durch eine unterbrochene Linie getrennten Fahrspuren auffahren, allerdings der Beklagte auch, weshalb die Fahrzeuge kollidierten. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

 

Das OLG stimmte im Berufungsverfahren dem Landgericht zu, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagtenseite grundsätzlich nach §§ 7, 17, 18 StVG für den Schadensfall einstandspflichtig seien, da der Unfall bei den Betrieb von Kraftfahrzeugen entstanden sei und weder auf höhere Gewalt zurückzuführen sie noch für einen der Beteiligten ein unabwendbares Ereignis iSv. § 17 Abs. 3 StVG darstelle.

 

Der Kläger habe gegen § 9 Abs. 4 StVO verstoßen. Danach müsse ein Linksabbieger entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollten, durchfahren lassen. Es würden die gleichen Grundsätze gelten wie für die Begegnung mit einem auf einer bevorrechtigten Straße fahrenden Fahrzeug.  Damit habe der Kläger die ihm als Linksabbieger nach § 9 Abs. 4 StVO treffende Wartepflicht nicht beachtet. Er hätte zunächst den Abbiegevorgang des Beklagten abwarten müssen. Dabei käme es nicht darauf an, ob er von einer engen Bogenfahrt des Beklagtenfahrzeugs ausgegangen sei, welches auf der rechten Fahrspur weiterfahren wolle, denn diese Annahme sei nicht schutzwürdig. Wer nach links in eine Straße mit mehreren Fahrstreifen abbiege, dürfe grundsätzlich nicht darauf vertrauen, ei entgegenkommender Rechtsabbieger würde nur die rechte Fahrspur nutzen.

 

Auch käme es nicht darauf an, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision (nach den Feststellungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen) bereits eine gerade Fahrposition auf der linken Fahrspur eingenommen habe, während sich das Beklagtenfahrzeug noch in Schrägstellung befunden habe. Der Unfall habe sich nach sachverständiger Feststellung in Höhe des Fußgängerüberwegs, der den unmittelbaren Kreuzungsbereich aus Klägersicht nach links begrenzt habe, ereignet und das Klägerfahrzeug habe seine Kollisionsstellung erst kurz zuvor erreicht.  Der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang zwischen dem Linksabbiegevorgang des Klägers und dem Unfall verdeutliche, dass eine Beeinträchtigung des bevorrechtigten Beklagten durch den Kläger gerade nicht auszuschließen gewesen sei; Unsicherheiten zur Einschätzung der Verkehrslage gingen zu seinen Lasten (LG Potsdam, Urteil vom 10.03.2008 - 7 S 120/07 -).

 

Der Beklagte habe auch nicht gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er die rechte Fahrspur passieren musste, um auf die linke Fahrspur zu gelangen, stelle keinen Fahrstreifenwechsel im Sinne der Norm dar. Der Vorrang des Beklagten umfasse auch die Wahl zwischen den beiden Fahrspuren (LG Hamburg, Urteil vom 06.09.2021 - 306 S 85/19 -). Deshalb läge auch kein Verstoß gegen das Gebot, sich rechts einzuordnen (§ 9 Abs. 1 S. 2 StVO), oder das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO)  vor.

 

Allerdings läge bei dem Beklagten ein Sorgfaltsverstoß gem. § 1 Abs. 2 StVO vor. Für ihr sei ersichtlich gewesen, dass der Kläger seiner Wartepflicht nach § 9 Abs. 4 S. 1 StVO nicht genügen würde. Davon habe er spätestens auszugehen gehabt, als der Kläger, nachdem er bereits die für Linksabbieger vorgesehene Wartelinie ohne anzuhalten passiert habe, auch die gestrichelte Begrenzungslinie der linken Fahrspur im Bereich der Kreuzungsmitte überfahren habe.

 

 

Das OLG musste daher eine Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge  nach § 17 Abs. 1 StVG vornehmen. Die Nichtbeachtung der Wartepflicht des Linksabbiegers stelle regelmäßig einen Besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Dahinter würde aber die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs hier nicht zurücktreten. Der Beklagte sei zwar bevorrechtigt gewesen. Er habe aber eine Gefahr dadurch gesetzt, dass er nicht weiter auf das aus der Gegenrichtung abbiegende Kraftfahrzeug geachtet habe, obwohl dies bei dem von ihm beabsichtigten Wechsel unmittelbar auf die linke Fahrspur in höherem Maße geboten gewesen wäre, als bei einem Wechsel auf die rechte Fahrspur. Allerdings wiege dieser verstoß weniger schwer als die Verletzung der Wartepflicht (Vorfahrtsverstoß) des Klägers, weshalb sich eine Haftungsverteilung im Verhältnis 70% zu 30% zu Lasten des Klägers ergäbe. 


Links blinken am Traktorgespann: Unklare Verkehrslage und Haftungsabwägung

Schleswig-Holsteinisches OLG, Hinweisbeschluss vom  26.07.2023 - 7 U 42/23 -

Im Bereich einer Hofeinfahrt in T. war es zu einer Kollision zwischen einem Motorroller des Klägers und dem Traktorgespann des Beklagten zu 2 gekommen. Kläger und Beklagter befuhren die Straße in Fahrtrichtung H., der Beklagte vorne. Als der Kläger das Traktorgespann überholte und der Beklagte nach links in die Hofeinfahrt abbog, kam es zur schadensursächlichen Kollision auf der Gegenfahrbahn, indem der Kläger mit einem Motorroller gegen das linke Vorderrad des Traktors stieß.

 

Das Landgericht nahm vom Grundsatz eine Haftungsquote von 50% aus §§ 7 Abs. 1m 17 Abs 1 und 218 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 StVG, im Hinblick auf die Beklagte zu 1, den Pflichtversicherer, iVm. § 115 Abs. 1 Nr. 1 StVG, an. In seinem Hinweisbeschluss wiess das OLG den Beklagten Kläger, der gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, darauf hin, dass es die Zurückweisung der Berufung wegen offensichtlicher Unbegründetheit erwäge (§ 522 ZPO).

 

Zutreffend habe das Landgericht zunächst den gegen den Beklagten zu 2 als Linksabbieger sprechenden Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht aus § 9 Abs. 1 S. 4 StVO angewandt und sodann die zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft (Anhörung des Klägers, des Beklagten zu 2 sowie dessen Vernehmung als Partei nach § 448 ZPO und die Vernehmung eines Zeugen). Soweit sich die Angriffe des Klägers gegen die Annahme des Landgerichts richteten, bei dem Traktorgespann sei der linke Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt gewesen, bezog sich dieser auf Lichtbilder, die den Fahrtrichtungsanzeiger nicht im aufleuchtenden Zustand zeigen. Das aber ließ das OLG nicht gelten, da nicht auszuschließen sei, dass just im Moment der Aufnahme die Lichter nicht aufleuchteten, da diese nur zeitweilig (also im Wiederholungstakt) aufleuchten würden, zudem die Aufnahmen kurz nach dem Unfall gefertigt worden seien und hinsichtlich ihrer Aussagekraft von daher nur eine eingeschränkte Aussagekraft hätten. Insgesamt, so das OLG, sei die Würdigung des Landgerichts der Aussage des Beklagten zu 2 als glaubhaft du glaubwürdig nicht zu beanstanden, wobei der Zeuge angegeben habe, den Unfall nicht gesehen zu haben. Ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten sei nicht einzuholen, da dieser keine Feststellungen dazu treffen könne, ob der Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet gewesen sei Anmerkung: Wird bei dem Unfall die Lichtzeichenanlage mit der Birne beschädigt, sollte dies begutachtet werden, da sich feststellen lässt, ob sie im Zeitpunkt der Schädigung eingeschaltet war).

 

Ausgehend von der Einschaltung des linken Fahrtrichtungsanzeigers habe das Landgericht zutreffend für den Kläger eine unklare Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO angenommen. Blinke ein Traktor nach links, müsse stets damit gerechnet werden, dass dieser kurzfristig abbiegt, auch ohne sich ggf. nach links auf der Fahrtrichtungsbahn einzuordnen (was häufig auch infolge der Breite des Fahrzeugs nicht möglich sei). Damit hätte der Kläger auch damit rechnen müssen, dass der Traktorgespann nach links in eine schwer erkennbare Hof- oder Feldeinfahrt einbiegen will; der Kläger hatte behauptet, eine Hofeinfahrt nicht gesehen zu haben (Anmerkung: Zu beachten ist, dass ein Traktor auch direkt von der Straße auf ein Feld einbiegen kann und darf). Diese Verkehrslage habe dazu geführt, dass ein Überholen des Klägers unzulässig gewesen sei.

 

Die Bewertung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG durch das Landgericht mit der Quote von 50 : 50 sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Zu berücksichtigen sei nach § 17 Abs. 1 StVG, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei, mithin eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eine genaue Klärung des Unfallhergangs erforderlich sei (BGH, Urteil vom 28.02.2012 - VI ZR 10/11 -). Unter Berücksichtigung der von den Fahrzeugenausgehenden Betriebsgefahr dürften nur unstreitige oder zugestandene und bewiesene Umstände berücksichtigt werden; nur vermutete Tatbeiträge sowie die bloße Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage hätten außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 21.11.2006 - VI ZR 115/05 -). Alle berücksichtigten Tatbeiträge müssten sich zudem auf den Unfall ausgewirkt haben. Der Beweis obliege demjenigen, der sich auf einen n die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkt berufe (BGH, Urteil vom 13.02.1996 - VI ZR 126/95 -).

  

Dem habe die Abwägung durch das Landgericht entsprochen. Zu berücksichtigen seien hier der Verstoß des Beklagten zu2 gegen § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 StVO (Pflichten beim Abbiegen, insbes. die Pflicht, andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden) auf der einen Seite, und auf der anderen Seite das Verschulden des Klägers durch Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO (Überholen bei unklarer Verkehrslage) sowie die unterschiedlichen Betriebsgefahren der Fahrzeuge. Da führe zu einer im Ergebnis gleich hohen Gewichtung.