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Sozialversicherungs-Regress


Regress nach § 110 Abs. 1 SGB VII und Verjährung nach § 113 SGB VII

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.07.2024 - 7 U 89/23 -

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, wann der Regressanspruch des (klagenden) Rentenversicherungsträgers beginnt. Dieser war der Ansicht, er beginne erst mit Kenntnis von dem Schadensfall, der den Regress begründet.

Der Rentenversicherungsträger hatte einen Antrag auf Feststellung eines (anteiligen) Regressanspruchs aus § 110 Abs. 1 SGB VII geltend gemacht. Der bei ihr versicherte Geschädigte erlitt einen Arbeitsunfall, verursacht durch eine Fehlbedienung eines Teleskoparms durch den Beklagten mit der Folge einer Querschnittlähmung. Der Unfallversicherungsträger erkannte mit Bescheid vom 124.05.2017 den Unfall vom 14.05.2015 als Arbeitsunfall an. Am 06.08.2021 beantragte der Geschädigte bei der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Rente wurde nicht gewährt, obwohl eine medizinische Begutachtung ergab, dass der Geschädigte seine ehemalige Beschäftigung nur noch im geringeren zeitlichen Umfang ausüben kann; er erhält weiterhin Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben.

 

Die Klage des Rentenversicherungsträgers wurde dem Beklagten am 30.12.2022 zugestellt. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Das Landgericht wies die Klage – wegen Verjährung – ab. Das OLG wies die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung zurück.

 

Das OLG schloss sich der Auffassung des Landgerichts an, dass die Verjährung nach § 113 S. 1 SGB VII kenntnisunabhängig ab dem Tag der Feststellung des Versicherungsfalles durch den Unfallversicherungsträger läuft (BGH, Urteil vom 25.07.2017 – VI ZR 433/16 -). Frühere Rechtsprechung, die dies anders gesehen hatte, sei durch die Entscheidung des BGH überholt.

 

Die Bindungswirkung gelte nicht nur für den Unfallversicherungsträger, sondern auch für andere Sozialversicherungsträger. In seiner o.g. Entscheidung habe der BGH als obiter dictum festgehalten, dass für den Beginn der Verjährung gem. § 113 S. 1 SGB VII eine Feststellung der Leistungspflicht dem Grunde nach (und nicht der Höhe nach) genüge, dass „die für den Unfallversicherungsträger bindende Feststellung der Leistungspflicht nicht nur Voraussetzung für die Verjährung seiner eigenen Ansprüche ist, sondern auch für die Verjährung der Ansprüche anderer Sozialversicherungsträger“. Zwar habe der BGH offen gelassen, ob dies auch für Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gelte, allerdings mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes argumentiert, wonach die Regelung für alle Sozialversicherungsträger gelte und es (dort im Hinblick auf die gesetzliche Krankenversicherung) für unerheblich gehalten, „wenn der Beginn der Verjährung für die Rückgriffsansprüche der Krankenkasse von einem Datum abhängig gemacht würde, dass ihr nicht bekannt sei und auf das sie keinen Einfluss habe“.

 

Dem Rentenversicherungsträgerdrohe zwar die Verjährung seiner Ansprüche, wenn er nicht innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden Frist von dem Schadensfall Kenntnis erlange. Der Wortlaut des § 110 Abs. 1 SGB VII unterscheide jedoch nicht zwischen den verschiedenen Sozialversicherungsträgern, demgegenüber § 113 S. 1 SGB VII alleine auf die Feststellung der Leistungsverpflichtung des Unfallversicherungsträgers abstelle. Die Regelung sie im Kern und ihrer Konsequenz für andere Sozialversicherungsträger – namentlich dem Rentenversicherungsträger – seit Jahrzehnten unverändert geblieben und der Gesetzgeber habe offenbar bewusst auch bei diversen Anpassungen dies nicht grundlegend geändert. Damit scheide eine planwidrige Reglungslücke aus, und auch ein redaktionelles Versehen sei nicht erkennbar. Vielmehr stelle sich die Regelung als gesetzgeberische Grundentscheidung dar, bis wann das Interesse des nach § 110 Abs. 1 SGB VII Haftenden an Rechtssicherheit noch dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Durchsetzung dieser Regressansprüche vorgehen soll.

 

Damit sei – bei taggenauer Berechnung der Verjährungsfrist (BGH, Urteil vom 25.07.2017 - VI ZR 433/16 -) – die Verjährung mit dem Tag des Bescheides des zuständigen Unfallversicherungsträgers am 24.05.2017 in Lauf gesetzt worden (auf eine Leistungserbringungen durch diesen käme es nicht an) und habe am 24.05.2020 geendet. Die Verjährung sei bei Klageerhebung Ende 2022 bereits eingetreten gewesen. Vorher hab es auch keine verjährungshemmenden Umstände gegeben, was auch deshalb ausgeschlossen sei, dass die Klägerin erst im August 2021 von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt haben will.

 

Allerdings verdeutlichen die Gründe des OLG, mit denen die Revision gegen seien Entscheidung zugelassen wurde, deutlich, dass das OLG die eigene Entscheidung nicht für akzeptabel hält. So verwies es darauf, dass der Gesetzgeber jedem Sozialversicherungsträger mit § 110 SGB VII hinsichtlich des Haftungsgrundes ausdrücklich eine völlig autarke Anspruchsgrundlage bei (wie hier) krassen Fehlverhalten des Anspruchsgegners eingeräumt habe und es nicht im Interesse des Gesetzgebers sein könne, den gesetzlichen Rentenversicherungsträger in der Praxis durch die strenge Verjährungsregel nach § 113 AGB VII faktisch vom Regress auszuschließen, da er vermutlich davon ausgegangen sei, dass Regressansprüche desselben überhaupt schon entstanden seien.  Es könnte im öffentlichen Interesse aller Rentenversicherungspflichtigen liegen, Ersatz für Aufwendungen zu erhalten, die ansonsten von der Solidargemeinschaft getragen werden müssten. Es sei auch nicht unbillig, dem Schädiger die Rechtsunsicherheit aufzuerlegen, erst viele Jahre nach dem Vorfall entsprechenden Regressansprüchen auszusetzen. Verwiesen wurde durch das OLG zudem auf ein Urteil des Brandenburgischen OLG vom 09.12.2014 – 3 U 48/13 - , in dem dieses auf den In § 113 SGB VII benannten § 199 BGB abstellte und die Auffassung vertrat, der Verweis auf § 199 Abs. 1 und 2 BGB sei überflüssig, wenn man nicht die dort verlangte Kenntnis mit als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn annehmen würde.  

 

Anmerkung: Die Entscheidung des OLG ist zunächst in seiner Begründung zur Zurückweisung der Berufung des Rentenversicherungsträgers nachvollziehbar. Unverständlich wird sie allerdings vor dem Hintergrund der Zulassung der Revision. Mit den benannten Zulassungsgründen, „nicht im Interesse des Gesetzgebers“ pp., verliert sich das OLG in allgemeine (rechtspolitische) Überlegungen. Im Urteil selbst hatte doch das OLG ausgeführt, dass eine Regelungslücke nicht vorläge und der Gesetzgeber bei mehrfachen Änderungen dies auch hätte ändern können, was er bewusst nicht getan habe. Damit würde diese Begründung nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen, sondern könnte allenfalls eine Handlungsaufforderung an den Gesetzgeber darstellen.

 

Ebenso wenig überzeugt die Entscheidung des Brandenburgischen OLG , auf welches sich das OLG hier zur Begründung der Zulassung der Revision berief: Zwar wird in § 113 SGB VII auf § 199 Abs. 1 und Abs. 2 BGB verwiesen. Wenn aber in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Kenntnis abgestellt wird, kann dies nicht eine zusätzliche Voraussetzung für den Lauf der Verjährungsfrist sein, da dies dem Wortlaut des § 113 S. 1 SGB VII zuwiderliefe, der explizit auf darauf abstellt, dass die Norm „mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist.“ Der Wortlaut „mit der Maßgabe“ beinhaltet bereits, dass die anderweitige Berechnung in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gerade nicht anzuwenden ist.


Darlegungs- und Beweislast – Grouper als Nachweis der Erforderlichkeit ?

BGH, Urteil vom 09.07.2024 - VI ZR 252/23 -

Wie so häufig machte auch hier der klagende Sozialversicherungsträger nach einem Unfall einen nach § § 116 Abs. 1 SGBX auf sie übergegangenen Ersatzanspruch gegen den gesetzlichen Haftpflichtversicherer (Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr, 1 VVG) geltend. Die Haftung war unstreitig. Streitig war die Höhe des von der Klägerin begehrten Schadens. Von der Beklagten wurde eingewandt, der Schaden sei bisher – soweit nicht anerkannt – nicht durch prüffähige Unterlagen belegt worden. Hier wie zwischenzeitlich ständig wurde vom Sozialversicherungsträger eingewandt, die von ihr vorgelegten „Grouper“-Ausdrucke (vom Krankenhausträger der Krankenkasse übermittelte Abrechnungsdaten) und vorgelegten Krankenhausberichte seien ausreichend. Ebenso wie es zwischenzeitlich meist geschieht, wurde dies vom Landgericht und – aufgrund der von der Beklagten eingelegten Berufung – auch vom Oberlandesgericht so gesehen (Urteil OLG Sachsen-Anhalt vom 02.07.2023 - 9 U 125/22 -), weshalb der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wurde. Das OLG argumentiert u.a. damit, dass § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht zu entnehmen sei, dass von der Krankenkasse tatsächlich gezahlte Krankenhauskosten aufgrund von Einwendungen gegen die Höhe vom Anspruchsübergang ausgeschlossen sein sollten, wobei es darauf verwies, dass dies auch im Zusammenhang mit dem bei Sachschäden gebräuchlichen Begriff des „Werkstattrisikos“ stünde.

 

Grundsätzlich, so zutreffend der BGH, stehe der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch aus nach 116 Abs. 1 S. 1 SGB X zu, und zwar auf Ersatz der Kosten der Heilung der bei dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen (§§ 7 Abs. 1, 11 S. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG iVm. § 1 S. 1 PflVG). Die Bemessung der Höhe des Schadenersatzanspruchs sei in erster Linie des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters, wobei im Revisionsverfahren nur geprüft werden könne, ob dieser wesentliche Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsgrundlagen außer Acht gelassen oder seien Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt habe (st. Rspr., so Urteil vom 29.09.2020 - VI ZR 271/19 -). Solche Fehler lägen hier vor.

 

 

Die Klägerin sei, was das OLG verkannt habe, trotz des bereits im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses stattfindenden Anspruchsübergangs nicht als Geschädigte anzusehen. Der Schaden, der der Klägerin zu ersetzen sei, sei nicht ohne weiteres der Vermögenseinbuße gleichzusetzen, die der Klägerin durch ihre Leistungsplicht gegenüber ihrem Versicherten gem. § 11 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V entstanden sei (BGH, Urteil vom 23.02.2010 - VI ZR 331/08 -). Der nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X übergehende Anspruch auf Ersatz gehe über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses der Versicherungsträger Sozialleistungen zu erbringen habe, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen würden (sachliche Kongruenz) und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen würde (zeitliche Kongruenz). Dabei knüpfe der Forderungsübergang an die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers („zu erbringen hat“) und nicht an tatsächlich erbrachte Leistungen an (BGH, Urteil vom 18.10.2022 – VI ZR 1177/20 -). Dabei könne er einen Aufwendungsersatz nur insoweit verlangen, als er Aufwendungen auf einen Schaden des Versicherten zu erbringen habe. Zu unterscheiden sei zwischen der unabhängig von einer Schadensersatzverpflichtung Dritter bestehenden Leistungsverpflichtung des Versicherungsträgers gegenüber der versicherten Person einerseits und seinem Regressanspruch gegenüber einem Schädiger andererseits; übertragen sei dem Versicherungsträger nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X nur der Schadensersatzanspruch des Versicherten. Läge ein solcher nicht vor, habe er keinen Anspruch gegenüber dem Schädiger (BGH, Urteil vom 10.07.2007 - VI ZR 192/06 -). Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem frühen Zeitpunkt des Anspruchsübergangs, mit dem auch möglicherweise in der Zukunft liegende Leistungen des Versicherers für den Geschädigten gesichert würden, die sachlich und zeitlich mit Ersatzansprüchen des Geschädigten kongruent seien; ein eigener Anspruch des Versicherungsträgers auf Erstattung aller seiner durch das Schadensereignis ausgelösten Leistungen folge daraus nicht (BGH, Urteil vom 07.12.2021 - VI ZR 1189/20 -).

 

Das OLG habe die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin zur Schadenshöhe rechtsfehlerhaft verkannt.

 

Den Sozialversicherungsträger träfen im Grundsatz die gleichen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast wie den Geschädigten, würde dieser den Schadensersatzanspruch selbst geltend machen (u.a. BGH, Urteil vom 23.06.2020 - VI ZR 435/19 -). Es müssten Tatsachen angeführt werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Für die Beweislast für die (im Streit stehende) haftungsausfüllende Kausalität, die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und weiteren Schäden des Verletzten (Sekundärschäden) betreffe, gelte das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO (wonach eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genüge). Auch die Systematik des Gesetzes spreche gegen einen Willen des Gesetzgebers, gesetzliche Krankenkassen (Anmerkung: Gleiches gilt für die gesetzlichen Unfallversicherungsträger) hinsichtlich der Aufwendungen beim Regress nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X besserzustellen. Der Gesetzgeber habe mit § 116 Abs. 8 SGB X eine Regelung geschaffen, die den Regress für Kosten der nicht stationären ärztlichen Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln vereinfache (Pauschale, werden keine höheren Kosten nachgewiesen); dies sei für die stationäre ärztliche Behandlung nicht erfolgt.

Auch wenn der zur Entscheidung berufene zuständige VI. Zivilsenat des BGH in vergangenen Entscheidungen ausgeführt habe, dass den Belangen der Sozialversicherungsträger Rechnung zu tragen sei (BGH, Urteil vom 24.04.2012 - VI ZR 329/10 -), sei es den Gerichten verwehrt, die Rechtsanwendung allgemein nach dem Schutzbedürfnis der Sozialversicherungsträger auszurichte, selbst wenn sie dies höher bewerten wollten als dem Schutz des Schuldners (BGH vom 24.04.2012 aaO.). 

 

Auch sei der Annahme des OLG nicht zu folgen, die Klägerin könne die an die Behandlungseinrichtungen gezahlten Beträge aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen nicht mehr zurückfordern und dies käme dem Fall des deshalb anzuwenden Rechtsgedanken des § 118 SGB X gleich. Nach § 118 SGB X ei ein Zivilgericht, das über einen nach § 116 Abs. 1 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch zu entscheiden habe, an eine unanfechtbare Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts oder eines Sozialversicherungsträgers über den Grund oder die Höhe der dem Leistungsträger obliegenden Verpflichtung grundsätzlich gebunden. Die Bindungswirkung erstrecke sich auf den Tenor des Leistungsbescheides oder des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Urteils und dessen tragende Feststellungen, nicht auf die zivilrechtlichen Haftungsvoraussetzungen wie die Kausalität zwischen Schädigungshandlung und dem eingetretenen Schaden (BGH, Urteil vom 16.03.2021 – VI ZR 773/20 -). [Anmerkung: Leider nimmt der BGH nicht zu der Frage Stellung, ob eine Bindungswirkung ggf. auch dann angenommen werden kann, wenn der vom Sozialversicherungsträger in Anspruch genommene Schädiger an der unanfechtbaren Entscheidung des Sozialversicherungsträgers oder eines sozial- oder sozialgerichtlichen Verfahrens nicht beteiligt war, liegt hier doch bei Annahme einer Bindungswirkung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor]. Die von der Klägerin geleistete und ggf. nicht rückforderbare Zahlung auf die Rechnungen der Krankenhäuser stehe einer unanfechtbaren Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts nicht gleich und vorliegend würde weder der Grund noch die Höhe der Leistungspflicht der Klägerin gegenüber dem Versicherten in Streit stehen. Im, Streit stünde der Schadensersatzanspruch des Versicherten, in dessen Rahmen die Klägerin nur Anspruch auf Ersatz der von ihr verauslagten Kosten für erfolgte medizinische medizinische Untersuchungen und Behandlungen habe, soweit diese iSv. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich waren (BGH, Urteil vom 17.09.2013 - VI ZR 95/13 -).

 

Sozialrechtliche Anforderungen an das Abrechnungssystem zwischen Krankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen sowie sozialrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung, Prüfung von Rechnungen und Zahlungspflichten der Krankenkassen würden keine Abweichung von den zivilrechtlichen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast nach dem Forderungsübergang gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X rechtfertigen. Aus §§ 275, 275c, 284 – 293 und 294 bis 303 SGB V  und § 17c Abs. 2b KHG würden daran nichts ändern. Hier würden ausschließlich Rechte und Pflichten von Sozialversicherungsträgern und Leistungserbringern festgelegt, aber nicht das Verhältnis zum Schädiger im Rahmen zivilrechtlicher Haftung geregelt. Gesetzlich Beschränkungen der gesetzlichen Krankenkassen für die Prüfung der Krankenhausrechnungen könnten nicht als Grundlage herangezogen werden, um die Rechtsposition des Schädigers nach dem Forderungsübergang gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X zu beschneiden, da ansonsten die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten würden (BVerfGE 128, 193, 210; BGH, Urteil vom 11.06.2024 – VI ZR 133/23 -). Damit würden die von den Behandlungseinrichtungen erstellten Abrechnungsdaten nach allgemeinen Grundsätzen auch nur einen Anhaltspunkt, aber kein wesentliches bzw. starkes Indiz für die Erbringung und/oder Erforderlichkeit der abgerechneten Leistung darstellen (so auch zu „Grouper“-Ausdrucken OLG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2023 - 12 U 17/23 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.01.2024 - 1 W 24/23 -; zum Problem der Fahlcodierungen BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17 -). Zudem habe der Gesetzgeber nach § 294a SGB V unter anderem Krankenhäuser gem. § 108 SGB V verpflichtet, Angaben zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

 

Die Rechtsprechung zum sogen. „Werkstattrisiko“ bei Beschädigung einer Sache für Reparatur- und Sachverständigenkosten seien für Ansprüche der gesetzlichen Krankenkassen auf Ersatz der Kosten der Heilung nicht übertragbar. Diese Grundsätze seien geprägt von dem Gedanken, dass es Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB widerspreche, wen der Geschädigte bei Ausübung der ihm zustehenden Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem, Einfluss entzogen sei. Eine entsprechende Konstellation läge hier aber nicht vor.  Die gesetzliche Krankenkasse sie nicht Geschädigte, Geschädigter sei der Versicherte. Die Klägerin trage die Behandlungskosten aufgrund ihrer diesem gegenüber bestehenden Leistungspflicht. Ihre Zahlungsverpflichtung entstünde, unabhängig von einer Kostenzusage, unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten Kraft Gesetz, wenn die Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt und iSv. § 39 Abs. 1 SGB V S. 2 erforderlich sei (BSG, Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 29/13 R; BGH, Urteil vom 03.05.2011 - VI ZR 61/10 -). Die Leistungen der Krankasse sind nicht zwingend deckungsgleich mit dem iSv. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB „erforderlichen“ Heilbehandlungsmaßnahmen und selbst bei einer sachlichen und zeitlichen Kongruenz zwischen der Leistungspflicht der Krankenkasse und dem zu leistenden Schadensersatz bemesse sich beides nach unterschiedlichen Grundsätzen. 


Die Leistungspflicht nach § 116 SGB X knüpft an das zugrundeliegende Versicherungsverhältnis

BGH, Urteil vom 19.01.2021 - VI ZR 125/20 -

Der Vater der 14-jährigen Geschädigten beantragte bei der Rentenversicherung stationäre Rehabilitationsleistungen, die diese erbrachte und nach § 116 Abs. 1 SGB X bei dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers regressierte. Dieser leistete unter Vorbehalt und forderte dann die Zahlung mit der Begründung zurück, die Geschädigte sei nicht Mitglied der Rentenversicherung. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt; die zugelassene Revision der Rentenversicherung führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

 

Vom Grundsatz normiert § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X, dass ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften (z.B. nach § 7 StVG, § 823 BGB) beruhender Schadensersatzanspruch auf den Versicherungsträger übergeht, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen (sachliche Kongruenz) sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen (zeitliche Kongruenz). Dabei sei auf die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers abzustellen (im Gesetz heißt es „zu erbringen hat“), nicht auf eine tatsächlich erbrachte Leistung. Fehlt mithin die Leistungspflicht, kann selbst bei erbrachter Leistung der Anspruch nicht gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X geltend gemacht werden, da es dann einem dort benannten gesetzlichen Forderungsübergang ermangelt.

 

Geht man mithin (insoweit fehlten Feststellungen der Vorinstanzen, weshalb es zur Zurückverweisung kam) davon aus, dass vorliegend  Ersatzansprüche nach § 7 Abs. 1 StVG gegenüber dem Haftpflichtversicherer gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG bestanden, ferner, dass die stationäre Rehabilitationsbehandlung auf den unfallbedingten Verletzungen zurückzuführen war, und die Rentenversicherung hier nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI auf Antrag Leistungen zu erbringen hatte, habe sachliche und zeitliche Kongruenz auf Ersatz gegen den Haftpflichtversicherer bestanden. Zwar sei die Geschädigte selbst nicht Mitglied der Rentenversicherung. § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI lautet:

 

„Als sonstige Leistungen zur Teilhabe können erbracht werden:

4. stationäre Heilbehandlung für Kinder von Versicherten, … , wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann,

…“

(§ 31 SGB 6 in der Fassung vom 17.7.2015)

 

Entscheidend für den Anspruch über § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X sei nicht, ob die Leistung auf einer Mitgliedschaft des Geschädigten beruhe, oder ob der Geschädigte nur Begünstigter sei. In beiden Fällen läge eine den Forderungsübergang begründende Identität zwischen Schadensersatzberechtigten und Leistungsempfänger vor.

 

Der Zweck des § 116 SGB X sei es zu vermeiden, dass der Schädiger durch die dem Geschädigten zufließende Sozialleistung haftungsfrei gestellt würde oder der Geschädigte doppelt entschädigt würde (BGH, Urteil vom 08.07.2003 - VI ZR 274/02 -).

 

Anderes würde sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 24.04.2012 - VI ZR 329/10 - ergeben. Dort sei es um die Frage gegangen, ob die Forderung bereits zum Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei, wenn zu diesem Zeitpunkt das Sozialversicherungsverhältnis noch nicht besteht. Erforderlich sei für dem Übergang zum Schadenzeitpunkt, dass eine Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Geschädigten nicht völlig unwahrscheinlich sei. Sind Sozialleistungen auf Grund eines Sozialversicherungsverhältnisses zu erbringen, setze ein Rechtsübergang zu diesem Zeitpunkt allerdings das Bestehen einer Mitgliedschaft voraus; wird die Mitgliedschaft erst später begründet, würde der Übergang auch erst zu diesem späteren Zeitpunkt eintreten. Im Urteil vom 24.04.2012 sei es um den Forderungsübergang auf den Rentenversicherungsträger aus einem erst Jahre nach dem Unfall begründeten Versicherungsverhältnis gegangen.

 

Zusammenfassend hielt der BGH fest, dass die Differenzierung im Hinblick darauf erfolge, welche Sozialleistungen aus welchem Sozialversicherungsverhältnis im Rahmen des Forderungsübergangs geltend gemacht würden. Hier handele es sich um Ansprüche aus Sozialleistungen zugunsten der Geschädigten, die an das Rentenversicherungsverhältnis ihres Vaters anknüpfen würden.