Das Neueste auf dieser Seite und auf Twitter
Auf dieser Homepage werden Entscheidungen und Hinweise zu Rechtsentwicklungen in der Regel nur kurz dargestellt. Es werden Verweise auf unsere anderweitigen Publikationen (qua Link) erfolgen, damit der interessierte Leser dort weiterlesen kann.
Im nachfolgenden Blog sind die neuesten auf dieser Seite veröffentlichten Entscheidungen kurz (mit einem Link zu ihnen) dargestellt.
Hinweis: Wir weisen darauf hin, dass bei Nutzung von Share-Buttons, die nach dem Öffnen der Blogartikel angezeigt werden, der jeweilige Betreiber der Seite Ihre Daten auswertet. Sehen Sie dazu auch unsere Datenschutzhinweise..
OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2023 - 2 U 303/21 -
Liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, kann der Geschädigte den Betrag fordern, der für die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeuges (zum Zeitpunkt direkt vor dem Unfall) erforderlich ist, mithin den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert), § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.
Für die Schadensberechnung ist auf das Wirtschaftlichkeitsgebot abzustellen. Eingeschränkt wird das Wirtschaftlichkeitsgebot (zugunsten und zulasten des Geschädigten) im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage. Dabei ist auf die individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen.
Typischerweise gegebene vorteilhafte Möglichkeiten muss der Geschädigte nutzen. Ist für den Geschädigten unter Berücksichtigung eines ihm ohne weiteres zugänglichen Großkundenrabatts der Kauf eines Neuwagens wirtschaftlich günstiger als der (fiktive) Kauf eines Gebrauchtwagens, so kann er seinen Schadensersatzanspruch nur nach dem Kauf des Neuwagens unter Berücksichtigung des Rabatts geltend machen. Ist dies nicht der Fall, ist der dem Geschädigten jederzeit zur Verfügung stehende Neuwagenrabatt auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Geschädigte (im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis) den Schadensbetrag zum Kauf eines (auch höherwertigen) Neuwagens nutzt.
OLG Celle, Beschluss vom 22.03.2023 - 6 W 31/23 -
Wird ein Erbe nicht innerhalb einer nach den Umständen entsprechenden Frist als Erbe ermittelt, hat das Nachlassgericht den Fiskus als Erben im Beschlussweg festzustellen. Der Beschluss hat keine rechtsbegründende Wirkung (er begründet nur eine widerlegbare Vermutung der Erbenstellung des Fiskus, § 1964 Abs. 2 BGB) und kann bei Vorliegen neuer Tatsachen jederzeit aufgehoben werden, § 48 Abs. 1 FamFG.
Der Feststellungsbeschluss kann von demjenigen mit der Beschwerde angefochten werden, der geltend machen kann, von dem Beschluss beschwert zu sein, § 59 Abs. 1 FamFG. Beschwert wäre der Erbe. Nicht aber beschwert ist der Nachlassgläubiger, der seinen Anspruch gegenüber dem Fiskus wie auch gegenüber dem aus seiner Sicht wirklichen Erben geltend machen.
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 25.04.2023 - 7 U 125/22 -
An einer Kreuzung mit grünen Ampellicht darf der Kraftfahrzeugführer nach den Regeln des § 9 StVO abbiegen. Gegenüber (querenden) Fußgänger (in der einfahrenden Straße) ist allerdings besondere Rücksicht zu nehmen und nötigenfalls zu warten, § 9 Abs. 3 S. 3 StVO.
Hält sich der Businsasse nicht ordnungsgemäß fest und stürzt er, scheidet eine Haftung des Halters/Fahrers/Kfz-Versicherers aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 8a, 18 StVG) bei einfacher Betriebsgefahr aus. Treten besondere Umstände hinzu, die eine gesteigerte Betriebsgefahr begründen, verringert sich das Eigenverschulden des Businsassen.
Fahrgäste in Straßenbahnen und Bussen haben eigenverantwortlich dafür zu sorgen, dass sie bei typischen und zu erwartenden Bewegungen eines Busses nicht zu Fall kommen und sich dementsprechend festzuhalten (ältere Fahrgäste mit beiden Händen); bei ausgelösten Haltesignal ist ein Sitzplatz erst zu verlassen, wenn der Bus an der Haltestelle hält. Kommen sie dem nicht nach und stürzen, so kommt eine Haftungsverteilung von 50:50 in Betracht, wenn eine gesteigerte Betriebsgefahr des Busses vorliegt, da dieser (da er einen die Fahrbahn querenden Fußgänger übersah, Verstoß gegen § 9 Abs. 3 S. 3 StVO) eine Notbremsung vornimmt.
Eine Entscheidung des OLG Hamm zum Sturz eines Schwerbehinderten in einem Bus finden Sie auf > Rechtsprechung: "Sturz eines schwerbehinderten Fahrgastes im Bus".
BGH, Urteil vom 13.01.2023 - V ZR 43/22 -
Durch die Rechtsänderung zum 01.12.2022 sind Beschlussklagen, § 44 WEG, so die Anfechtungsklage gegen Beschlüsse nicht nur innerhalb der Frist des § 45 WEG erhoben werden. Sie sind seither gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (als Beklagte) zu richten, § 44 WEG.
Wird die Klage (fristgemäß) gegen die übrigen Wohnungseigentümer erhoben, wahrt dies die Frist nicht. Wird erst (ggf. nach einem gerichtlichen Hinweis) die Parteibezeichnung berichtigt und damit gegen die GdWE erhoben, kommt es für die Einhaltung der Klagefrist darauf an, ob dies noch innerhalb oder erst nach deren Ablauf erfolgte. Eine fristwahrende Parteiberichtigung, die auch noch nach Fristablauf erfolgen konnte, gibt es nicht mehr.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 45 Abs. 2 WEG iVm. §§ 233 ff ZPO) scheidet jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei aus.
Über eine Klage, mit der die Ungültigkeit eines Beschlusses begehrt wird und damit eine Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben wird, ist in einem solchen Fall noch insoweit zu entscheiden, als die mögliche Nichtigkeit des Beschlusses geprüft werden muss.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.03.2023 - 26 W 1/23 -
Vertretbare Handlungen sind nach § 887 ZPO, nicht vertretbare Handlungen nach § 888 ZPO zu vollstrecken. Eine vertretbare Handlung liegt vor, wenn sie auch von einem Dritten anstelle des Schuldners vorgenommen werden kann.
Der titulierte Anspruch auf Rückschnitt der Hecke auf eine Höhe von 2,50 m ist auf eine vertretbare Handlung gerichtet, da es dem Gläubiger wirtschaftlich und rechtlich gleichgültig ist, ob die Maßnahme von dem Schuldner oder einem Dritten durchgeführt wird.
Ein nach § 888 ZPO gestellter Antrag kann vom Gericht nicht in einen solchen nach § 887 ZPO umgedeutet werden.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2022 - 3 W 84/22 -
Erstes Erfordernis der Anordnung einer beantragten Nachlasspflegschaft ist eine Forderung des Nachlassgläubigers gegen den Nachlass, § 1961 BGB. Zweites Erfordernis für die Anordnung er Nachlasspflegschaft ist das Bestehen einer unsicheren Erbrechtslage, § 1960 BGB.
Eine unsichere Erbrechtslage setzt voraus, dass der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat, die Annahme ungewiss ist oder der Erbe seiner Person nach unbekannt ist. Der Nachlassgläubiger hat allerdings Nachforschungen anzustellen. Aus seiner besonderen Situation heraus als von den Erben fernstehender Gläubiger sind ihm aber umfangreiche Nachforschung zur Beschaffung der erforderlichen Unterlagen zum Nachweis der Passivlegitimation des Erben nicht zumutbar.
BGH, Beschluss vom 11.01.2023 - V ZB 23/22 -
Die Art der Nutzung des beschlagnahmten Grundstücks soll der Zwangsverwalter beibehalten, § 5 Abs. 1 ZVG. Grundsätzlich soll eine Nutzung durch ihn durch Vermietung oder Verpachtung erfolgen. Er kann allerdings auch einen sich auf dem beschlagnahmten Grundstück befindlichen Gewerbebetrieb weiterführen.
Führt der Zwangsverwalter einen sich auf dem beschlagnahmten Grundstück befindlichen Gewerbebetrieb weiter, erzielt er keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Ein Gebührenanspruch nach § 18 ZwVwV hat allerdings zur Voraussetzung, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden.
Es liegt aber keine Regelungslücke vor, die eine analoge Anwendung des § 18 ZwVwV rechtfertigt. Der Verordnungsgeber hat in § 19 ZwVwV eine Vergütung nach Zeitaufwand/Stundensätzen geregelt. Diese Regelung ist bei der Bemessung der Vergütung des Zwangsverwalters bei einer Betriebsfortführung zugrunde zu legen. Vom Verordnungsgeber wurde gerade keine § 1 InsVV für eine nach an der Vermögensmasse orientierte Vergütung festgelegt.
OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2022 - I-27 W 58/22 -
Die Satzung eines (eingetragenen) Vereins kann Regelungen zur physischen und virtuellen Teilnahme an Mitgliederversammlungen enthalten, ebenso zu einer Mischform (reale Versammlung mit Wahlrecht, an ihr virtuell teilzunehmen).
Erforderlich für eine zulässige Satzungsregelung, insbesondre für die Mischform, ist, dass sich aus der Satzung der grundsätzliche Durchführungsweg der virtuellen Teilnahme ergibt und in der Satzung sichergestellt wird, dass die virtuell anwesenden Mitglieder ebenso wie die physisch anwesenden Mitglieder ihre Mitgliedschaftsrechte (Informations- und Mitwirkungsrechte) wahrnehmen können.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.01.2023 - 5 WF 138/22 -
Regelmäßig ist die Anhörung des Kindes im Rahmen eines Umgangsrechtsverfahrens erforderlich. Davon kann nur abgesehen werden, wenn aus Verhältnismäßigkeitsgründen ein schwerwiegender Grund für das Absehen von der Kindesanhörung nach § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG vorliegt.
Wird der betreuende Elternteil aufgefordert, das Kind zum Anhörungstermin zu bringen, und erscheint das Kind nicht, kann kein Ordnungsgeld gegen den betreuenden Elternteil festgesetzt werden, da dieses nur gegen die Beteiligten festgesetzt werden kann, § 33 Abs. 2 S. 1 FamFG. Eine Ordnungsgeld kann auch nicht gegen ein vierjähriges Kind wegen Fernbleibens festgesetzt werden, da davon auszugehen ist, dass dieses nicht unentschuldigt fernbleibt.
Ein Zwangsgeld nach § 35 FamFG kann gegen den betreuenden Elternteil nicht verhangen werden. Dies muss sich auf einen konkreten Termin beziehen; die Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsmitteln setzt aber voraus, dass eine Zuwiderhandlung bereits erfolgte. Der Termin, zu dem das Kind nicht erschien, war aber bereits abgelaufen.
Möglich ist, wenn nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen von der Kindesanhörung abgesehen werden kann, eine vorläufige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts des betreuenden Elternteils nach § 1666 BGB zu prüfen oder im Rahmen einer einstweiligen Anordnung ohne vorherige Anhörung des Kindes einen Beschluss zu fassen.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.04.2023 - 1 ORbs Ss 151/23 -
Mit § 23 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 StVO wird dem Fahrzeugführer erlaubt, ein elektronisches Gerät, welches der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder dazu bestimmt ist (Handy/Smartphone), zu benutzen, wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird. Das Aufnehmen / Halten des Geräts ist nur im Zusammenhang mit dessen Bedienung (Nutzung) untersagt.
Eine (nicht auf die Nutzung bezogene) Ortsveränderung des Gerätes im Fahrzeug ist nicht untersagt. Das gilt auch dann, wenn während der Ortsveränderung die Freisprecheinrichtung nicht beendet wurde. Wird die Umlagerung aber vorgenommen, um einen besseren Empfang zu haben, liegt darin eine Benutzung entgegen § 23 Abs. 1a StVO.
BVerfG, Beschluss vom 08.02.2023 - 1 BvR 311/22 -
§ 88 Abs. 1 S. 1 SGG sieht vor, dass bei Nichtverbescheidung eines Veraltungsaktes ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist, nach sechs Monaten Untätigkeitsklage erhoben werden kann. Wird der beantragte Verwaltungsakt nach Erhebung der Klage positiv verbeschieden, erledigt sich die Hauptsache. In diesem Fall hat das Gericht nach billigen Ermessen (unter Beachtung des Justizgewährungsanspruchs, Art. 19 Abs. 4 GG, und des Willkürverbotes, Art. 3 Abs. 1 GG) über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Grundlage ist der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung. War die Klage zulässig (also nach Ablauf der Wartefrist des § 88 SGG erhoben worden) und begründet, so sind grundsätzlich der beklagten Behörde die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wenn nicht zureichende Gründe für eine Verzögerung der Verbescheidung vorlagen.
Die Kostenentscheidung kann auch nicht zu Lasten des Klägers mit der Begründung ergehen, dieser hätte bei der Behörde erst nachfragen müssen, diese mahnen müssen oder auf die Absicht einer Untätigkeitsklage hinweisen müssen. Eine Nachfragepflicht kann sich im Einzelfall lediglich bei besonderen Gründen ergeben.
Die Erhebung der Klage kann auch missbräuchlich sein und damit den Kostenerstattungsanspruch des Klägers ausschließen. Dies ist denkbar, wenn sie erhoben wird, um Kostenvorteile zu erlangen. Alleine die Beauftragung eines anwaltlichen Bevollmächtigten begründet eine solche Annahme aber nicht.
BGH, Urteil vom 16.12.2022 - V ZR 34/22 -
Mit dem obligatorischen Schlichtungsverfahren ist nach der Gesetzesbegründung zu § 15a EGZPO (BT-Drs. 14/980 S 5 zu § 15a EGZPO, LT-Drs. 12/4614 S. 27 zum nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetz) beabsichtigt, die Zivilgerichte zu entlasten und Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen.
Im Falle eines (Kläger- oder) Beklagtenwechsels, der sich als Klageänderung nach § 263 ZPO darstellt, bedarf es keines neuen Schlichtungsverfahrens (so bereits zum Klägerwechsel BGH, Urteil vom 18.06.2010 - V ZR 9/10 -). Das Ziel, Zivilgerichte zu entlasten, kann nicht mehr erreicht werden. Entweder stimmt der Beklagte dem Parteiwechsel auf Beklagtenseite zu, dann würde er mit dem Klageabweisungsantrag deutlich machen, eine gütliche Einigung nicht anzustreben, weshalb es nicht zur Entlastung kommt, oder der Parteiwechsel wird vom Gericht als sachdienlich angesehen, was dann auch bei Verlangen auf ein vorheriges Schlichtungsverfahren dem Entlastungsgedanken widerspricht. Zudem können sich die Parteien auch im Verfahren einigen.
Damit ist nach einem Eigentümerwechsel und einem daraufhin erfolgten Parteiwechsel kein neues Schlichtungsverfahren (hier im Rahmen einer Nachbarschaftsklage) durchzuführen.
Kammergericht, Beschluss vom 07.02.2023 - 1 W 213/22 -
Eine gestreckte Begründung eines Sondernutzungsrechts ist wirksam, wenn die Zuordnungs-/Bewilligungserklärung des in der Teilungserklärung ermächtigten Eigentümers durch Zugang beim Grundbuchamt zu einem Zeitpunkt wirksam geworden ist, als er noch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft war und hier noch nicht alle Einheiten veräußert waren.
Für die damit begründete Wirksamkeit nach § 19 GBO kommt es nicht darauf an, welche Zeit vergangen ist und ob möglicherweise schuldrechtlich über das Sondernutzungsrecht verfügt wurde.
Es ist daher in diesem Fall nicht erforderlich, dass alle Sondereigentümer die Zuordnung bewilligen.
OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023 - 14 U 166/21 -
Bei einem Schadensersatzanspruch nach § 7 Abs. 1 StVG und einem Schaden an einem Teil einer größeren Hoffläche, kann infolge von geringen, kaum sichtbaren Fugenverschiebungen ein Schadensersatzanspruch auf Wiederherstellung der gesamten Hoffläche wegen Unverhältnismäßigkeit entfallen, wenn diese Fugenverschiebungen den Gebrauch nicht beeinträchtigen und für den unbefangenen Betrachter nicht erkennbar sind. Die vollständige Neuherstellung der gepflasterten Hofeinfahrt ist unverhältnismäßig, wenn es um die Herstellung eines einheitlichen geraden Fugenverlaufs einer Fläche geht, die insbesondere dem Parken und Rangieren von Fahrzeugen dient.
Ein entschädigungspflichtiger Minderwert gem. § 251 Abs. 1 S. 2 BGB setzt eine messbare wirtschaftliche Einbuße voraus. Bei der Hofeinfahrt ist der Wert des Objekts insgesamt im Verhältnis zu der betroffenen Hoffläche zu betrachten. Ist der Anteil der Hoffläche am Verkehrswert des Objekts minimal (hier 0,7%) und geht dieser Wertanteil in den üblichen Rundungen unter, so liegt ein entschädigungspflichtiger Wertverlust nicht vor.
Anlass des Artikels ist ein Systemfehler bei der Übermittlung von Schriftsätzen via beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) an das Eingangspostfach des Gerichts (EGVP) auf dem nach § 103d ZPO bestimmten Weg. Nach Angaben der zuständigen Stelle in Nordrhein-Westfalen sollen diese trotz eines den Eingang bestätigenden, dem Absender automatisch zugeleiteten Sendeprotokolls (§ 130a Abs. 5 S. 2 ZPO), teilweise nicht bei den Gerichten eingegangen sein. Wird eine prozessuale Frist versäumt, konnte mithin gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden.
Wie aber steht es um die materiellrechtlichen Fristen, hier die Verjährungsfristen ? § 204 BGB (ggf. iVm. § 167 ZPO) sieht für Klagen, Mahnbescheide oder Anträge auf Sicherung des Beweises den Eingang bei Gericht als Voraussetzung der Verjährungsunterbrechung vor. Dieser Eingang lag aber wegen des Systemfehlers nicht vor und der Rechtsanwalt konnte und musste im Hinblick auf das Sendeprotokoll von einem Zugang ausgehen. Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt scheiden aus, Ein Staatshaftungsanspruch gem. §339 BGB dürfte auch nicht gegeben sein. Bleibt nun der Mandant auf seinen Schaden „sitzen“ ?
Der Verfasser geht von einer Gesetzeslücke auch, die der Gesetzgeber nicht bedacht hat. Sein Lösungsansatz ist der Rechtsgedanke der höheren Gewalt gem. § 206 BGB. Andernfalls bliebe nur der Weg, vorsorglich, bei Gefahr des Ablaufs materiellrechtlicher Fristen, neben dem notwendigen elektronischen Versand auch über einen alternativen Weg iSv. § 130d S. 2 ZPO das Schriftstück zu versenden und nach Feststellung, dass das Sendeprotokoll falsch war, die Zulässigkeit des alternativen Weges darzulegen und glaubhaft zu machen.
BGH, Beschluss vom 30.11.2022 - IV ZB 17/22 -
Ein nach § 130a ZPO übermittelter Schriftsatz ist vom Prozessbevollmächtigten mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) in das Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des zuständigen Gerichts zu übermitteln. Erst wenn er dort im EGVP angekommen ist, gilt er als bei dem zuständigen Gericht eingegangen, § 130a Abs. 1 S. 1 ZPO.
Wird das Schriftstück versehentlich an das EGVP eines anderen Gerichts gesandt, ist mit dem Eingang dort eine bei dem zuständigen Gericht zu beachtende Frist (hier: Berufungsbegründungsfrist) nicht gewahrt. Dies gilt auch dann, wenn das unzuständige Gericht und das zuständige Gericht die Dienste des gleichen Intermediär in Anspruch nehmen, solange es sich nicht um ein gemeinsames EGVP handelt.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt schon dann nicht in Betracht, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Versäumung der Frist auf dem festgestellten Verschulden beruht. Ein Verschulden liegt vor, wenn nach dem Versand nicht das automatisch generierte Sendeprotokoll (§ 130a Abs. 5 S. 2 ZPO) geprüft wird, ob das Schriftstück erfolgreich und bei dem zuständigen Gericht eingegangen ist. Bei einem Eingang einem Tag vor Ablauf der Frist beim unzuständigen Gericht kann auch nicht damit gerechnet werden, dass innerhalb der Frist noch eine Weiterleitung an das zuständige Gericht erfolgt.
BAG, Beschluss vom 21.03.2023 - 6 AZN 56/23 (F) -
Die Fachgerichte haben in eigener Zuständigkeit über eine Rüge wegen Nichtgewährung rechtlichen Gehörs nach Art 103 GG zu entscheiden, § 78a ArbGG, § 321a ZPO, § 178 SGG, 152a VwGO, 133a FGO. Damit wird den Fachgerichten die Möglichkeit gegeben, ihre Entscheidung im Hinblick darauf zu prüfen und ggf., sollte die Berechtigung bejaht werden, das Verfahren fortzusetzen. Eine Verfassungsbeschwerde ist demgegenüber subsidiär.
Die Anhörungsrüge ist innerhalb einer bestimmten Frist und Form einzulegen. Erfolgt dies nicht, kann sie als unzulässig abgewiesen werden. Damit ist das Mindestmaß an Rechtsschutz gewahrt und tritt nunmehr das auch im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot der Rechtssicherheit in den Vordergrund.
Eine zweite Anhörungsrüge ist damit unzulässig.
OLG Celle, Beschluss vom 13.01.2023 - 6 U 89/22 -
Die Abgrenzung zwischen Auftrag (§ 662 BGB) und Gefälligkeit ist vom Rechtsbindungswillen abhängig. Dieser ist im Einzelfall nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände und der Verkehrssitte zu ermitteln. Eine generalisierende Aussage, dass bei Geldgeschäften durch Familienangehörige ein Auftragsverhältnis vorliegt, kann nicht erfolgen.
Besteht eine Ehe bereits seit über 50 Jahren und besteht zudem zwischen den Eheleuten ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis, so ist bei einer erteilten Generalvollmacht nicht von einem Auftrags- sondern einem Gefälligkeitsverhältnis auszugehen, weshalb die Erben des eines Ehepartners (hier: Tochter) gegen den überlebenden Ehepartner keinen Auskunftsanspruch nach § 666 BGB haben. Zudem kommt auch ein konkludenter Verzicht auf das Auskunftsrecht in Betracht.
OLG Bamberg, Beschluss vom 10.01.2023 - 2 UF 212/22 -
Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich die grundsätzliche Verpflichtung, die finanziellen Belastungen des anderen Teils möglichst zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung der eigenen Interessen möglich ist. Damit besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch jedes Ehepartners auf Zusammenveranlagung. Dies gilt auch im Fall einer Scheidung als Nachwirkung aus der Ehe.
Die Beteiligten können aber rechtsgeschäftlich vereinbaren, dass keine Zusammenveranlagung erfolgt. Nachträglich kann keiner der Beteiligten entgegen der Vereinbarung eine Zusammenveranlagung verlangen. Eine Anfechtung wegen Irrtums ist als unbeachtlicher Motivirrtum ausgeschlossen, wenn der durch die Einzelveranlagung Benachteiligte bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung Kenntnis davon hatte, dass die getrennte Veranlagung (Einzelveranlagung) gegenüber der Zusammenveranlagung für ihn wirtschaftlich ungünstig ist. Die Verweigerung zur Zusammenveranlagung ist auch nicht treuwidrig, wenn diese rechtsgeschäftlich vereinbart wurde.
BGH, Beschluss vom 01.02.2023 - VII ZR 882/21 -
Das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) gebietet es, den Kern eines Vortrages der Prozessbeteiligten zu erfassen. Es darf nicht allenfalls auf den äußeren Wortlaut abgestellt werden.
Weiterhin verbietet die Gewährung rechtlichen Gehörs, überspannte Substantiierungsanforderungen an einen Vortrag zu stellen.
Bei nach Zeitaufwand abzurechnenden Arbeiten muss nur darlegt und gegebenenfalls bewiesen werden, wie viele Stunden für die Erbringung der Vertragsleistungen mit welchem Stundensatz angefallen sind. Eine Differenzierung dergestalt, dass die abgerechneten Arbeitsstunden einzelnen Tätigkeiten zugeordnet und/oder nach zeitlichen Abschnitten aufgeschlüsselt werden, ist nur erforderlich, wenn dies zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde. In Ermangelung einer entsprechenden Vereinbarung ist es Sache des Bestellers, eine Begrenzung der Stundenlohnvergütung dadurch zu bewirken, dass er Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Betriebsführung des Unternehmers ergibt; bei Streit, ob die Arbeitszeit für Nachbesserungen benötigt wurde, obliegt dem Besteller die Darlegungslast.