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Kostenvorschuss


Verweigerung der Mangelbeseitigung bei Unverhältnismäßigkeit

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 03.07.2024 - 12 U 63/22 -

Unstreitig war, dass der Klägerin ein Restwerklohn der in Höhe von € 13.170,83 zustand. Die Beklagten machten allerdings von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch (§ 641 Abs. 3 BGB), weshalb das OLG eine Verurteilung zur Zahlung lediglich Zug um Zug gegen eine benannte Mängelbeseitigung (Dusche im Kinderbad) tenorierte.

 

Zwischen den Parteien eines Bauwerkvertrages war streitig, ob die Dusche im Kinderbad im Hinblick auf die geschuldete Breite einen Mangel aufwies. Diese hätte nach einem Sachverständigengutachten ein Rohbaumaß von 90cm haben müssen, welches durch Bekleidungen von Putzen, Klebern und Fliegenbelägen auf eine lichte Breite von 87cm reduziert gewesen wäre. Diese geschuldete Breite sei bei tatsächlich erreichten 79,4 cm nicht gegeben. Mit einer Abweichung von ca. 10% stelle sich diese als so erheblich dar, dass man nicht mehr von bauüblichen Toleranzen sprechen könne. Zudem sei die Breite einer Dusche von erheblicher Bedeutung für die Benutzung, wenn sie – wie hier – in einer Nische läge. Da dieser Mangel bei Abnahme gerügt worden sei und Abhilfe unter Fristsetzung verlangt worden sei, lägen die Voraussetzungen für einen Nacherfüllungsanspruch vor, §§ 640 Abs. 3, 634 Nr. 1,  635 Abs. 1 BGB.

 

Der Sachverständige habe die Kosten der Mängelbeseitigung mit € 7.500,00 netto beziffert. Dies sei auch im Hinblick auf das Interesse der Beklagten an der besseren Nutzbarkeit auch noch unverhältnismäßig iSv. § 635 Abs. 3 BGB. Das doppelte dieser Kosten (€ 15.200,00) könne als Zurückbehaltungsrecht der Klageforderung entgegengehalten werden.

 

Ein weiteres beklagtenseits geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht wurde aber vom OLG negiert. Zwar weise der Dachdrempel im Mittel nur eine Höhe von 1,79m (verbunden mit einer reduzierten Wohnfläche von 1,26qm) auf und auch im Übrigen sei die Nutzbarkeit dadurch beeinträchtigt, dass die Räume zur Wand hin niedriger seien. Auch dies stelle einen Mangel dar, der ebenfalls bei Abnahme gerügt worden sei und für den unter Fristsetzung Abhilfe gefordert worden sei. Nach Ansicht des OLG greife hier aber der Unverhältnismäßigkeitseinwand der Klägerin nach § 635 Abs. 3 BGB: Das OLG stellte darauf ab, ob ein nach den Umständen objektiv geringes Interesse des Bestellers an einer Mangelfreiheit einem ganz erheblichen und vergleichsweise unangemessenen Kostenaufwand gegenüberstünde. Dabei sei zu Lasten des Auftragnehmers auch zu berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß ein Verschulden bei ihm vorläge. Das Verlangen einer Vertragserfüllung ohne Rücksicht auf den erforderlichen Aufwand könne sich als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen (BGH, Urteil vom 06.12.2011 - VII ZR 241/00 -).

 

Vorliegend würde der erforderliche Sanierungsaufwand zur Herstellung des vertragsgerechten Zustandes (Drempelhöhe) netto € 264.000 (brutto € 314.160,00) betragen. Hinzu kämen noch Kosten zur Einlagerung und zum Wiederaufbau von Möbeln und Kosten für Ersatzwohnraum für die Bauzeit (was dann insgesamt brutto € 331,760,00 ergäbe. Der Preis für die Errichtung des Einfamilienhauses ehedem (2019) habe bei € 358.550,00 gelegen. Bereinigt um die Baukostensteigerungen seither (ca. 25%) verblieben immer noch statt € 314.160,00 zumindest Kosten von 234.620,00 zuzüglich der weiteren Kosten (insgesamt dann € 253.220,00).

 

Je erheblicher der Mangels ei, umso geringer sei die Bedeutung der Kosten.

 

 

Vorliegend sah das OLG zwar eine „gewisse Höheneinschränkung“ durch den niedrigeren Drempel, doch könne dort die Dusche „ohne Neigung des Kopfes“ (mit Ausnahme bei mittigen Durchschreiten der Öffnung) betreten werden, lege man die Durchschnittsbreite einer erwachsenen Person zugrunde (625mm). Damit läge nur eine geringe Komforteinschränkung bei der Nutzung der Dusche vor. Ebenso würde sich die um 1,26qm reduzierte Wohnfläche und eine Nutzungseinschränkung dadurch, dass eine größere Person nicht ganz so nahe an die Außenwand treten könne, im Ergebnis nicht als so erheblich darstellen, dass die genannten Kosten der Mängelbeseitigung hierzu nicht außer Verhältnis stehen würden. Dabei stellte das OLG darauf ab, dass die Flächen unter der Schräge zum Abstellen von Gegenständen, für Möbel und zum Sitzen oder Liegen nahezu ohne Einschränkung verwandt werden könnten. Zudem sei in Ansehung eines Ausgangsfehlers des Architekten ein Verschulden der Klägerin als nur gering anzusehen. Hinzu käme weiterhin, dass durch eine Planänderung teilweise Abhilfe geschaffen worden sei, worin zwar kein Verzicht auf weitere Mängelrechte gesehen werden könne, was aber dazu führen würde, dass ein Bestehen auf der vollständigen Vertragserfüllung mit den damit verbundenen Kosten und bei Berücksichtigung aller Umstände als unverhältnismäßig anzusehenden Kosten  treuwidrig wäre.


Mehrkosten bei Mängelbeseitigung durch notwendige Berücksichtigung neuer anerkannter Regeln der Technik

OLG München, Hinweisbeschluss vom 01.09.2020 - 28 U 1686/20 Bau -

Die Klägerin begehrte einen Kostenvorschuss in Höhe von € 151.709,14 für eine Dachsanierung. Nach einem vom Landgericht eingeholten Gutachten, dem das Landgericht folgte, sollen die von der Klägerin behaupteten Mängel und Schäden an dem Dach vorliegen und sich die Kosten der Beseitigung auf den geforderten Betrag belaufen. Mehrkosten in Höhe von € 21.839,32 für die Ausbildung des Daches gemäß der Vorgaben der EnEV 2014, die in den Kosten enthalten seien, seien deshalb zuzusprechen, da eine Mängelbeseitigung die zum Zeitpunkt ihrer Durchführung geltenden anerkannten Regeln der Technik einhalten müssten.

 

Gegen die Entscheidung des Landgerichts legten die Streithelfer der Beklagten Berufung ein. Sie wandten u.a. unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 14.11.2017 - VII ZR 45/14 - ein, dass der Mehraufwand in Ansehung der EnEV 2014 nicht vorhersehbar gewesen sei (die Errichtung des mangelbehafteten Daches erfolgte unter der Geltung der EnEV 2012) und der Vorschuss nicht den Mehraufwand auf Grund der Änderung der technischen Regeln umfasse, der mithin in Anzug zu bringen sei.

 

In seinem Hinweisbeschluss wies das OLG darauf hin, dass es der Berufung keine Aussichten auf Erfolg beimessen würde und beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen.  

 

Die Mängelbeseitigung müsse nach den aktuellen Regeln der Technik durchgeführt werden, mithin hier nach den Anforderungen der EnEV 2014. Die Ansicht der Berufungsführer, die entsprechenden Mehrkosten könnten von der Klägerin nicht begehrt werden, sei verfehlt. Das insoweit von den Berufungsführern benannte Urteil des BGH vom 14.11.2017 sei nicht einschlägig, da sich dort der BGH nur damit auseinandergesetzt habe, welche Auswirkungen eine Änderung anerkannter technischer Regeln zwischen Vertragsabschluss und Abnahme auf die geschuldete Leistung und den Vergütungsanspruch sowie die Abnahme nach dem vertraglich geschuldeten Leistungssoll hätten. Er habe entschieden, dass grundsätzlich die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik schulde, die zwischen dem Vertragsabschluss und der Abnahme gelten würden. Hier könne der Auftragnehmer, ändern sich die anerkannten Regeln der Technik und führen diese zu Mehraufwand, entweder eine Anpassung der Vergütung begehren oder aber der Auftraggeber auf die Einhaltung der neuen Regeln verzichten. Zur Frage der Auswirkung auf den Fall einer Mängelbeseitigung habe der BGH in der Entscheidung nicht Stellung bezogen. Allerdings habe sich der BGH in seinem Urteil vom 17.05.1984 - VII ZR 169/82 - zur Frage der Vorteilsausgleichung im werkvertraglichen Gewährleistungsrecht geäußert. Dort führte der BGH aus, dass eine Anrechnung des Vorteils dann nicht in Betracht käme, „wenn diese Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste. Der Auftragnehmer darf dadurch, dass der vertragszweck nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht wird, keine Besserstellung erfahren. Ein solches Ergebnis widerspräche dem Gesetzeszweck der Gewährleistung im Werkvertragsrecht.

 

Dies zugrunde legend vertrat das OLG die Auffassung, dass sich die Klägerin die Mehrkosten, welche durch die jetzt notwendige Ausführung der Sanierung nach den Vorgaben der EnEV 2014 gegenüber derjenigen nach der vorher anzuwenden EnEV 2012 ergäben, nicht von dem Kostenvorschuss abziehen lassen müsse und der Grund dafür alleine darin läge, dass die beklagte ihrer Verpflichtung zur Herstellung eines mängelfreien Daches und zur umgehenden Beseitigung von Mängeln nicht nachgekommen sei. Die Verteuerung läge damit alleine in der Risikosphäre des Beklagten. Selbst wenn die Klägerin durch die Einhaltung der EnEV 2014 gegenüber der EnEV 2012 eine wirtschaftlich merkbare Ersparnis bei den Heizkosten erzielen würde, wäre es unbillig, sie an den Mehrkosten zu beteiligen.

 

 

Die Berufung wurde vom OLG mit Beschluss vom 22.10.2020 zurückgewiesen. In diesem wies das OLG darauf hin, dass es sich bei den Mehrkosten nicht um sogenannte Sowieso-Kosten handeln würde, da sie bei einem mängelfreien Dach nicht angefallen wären, da die EnEV 2014 noch nicht galt. Sowieso-Kosten lägen nur vor, wenn das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vornherein entsprechend teurer geworden wäre (BGH, Urteil vom 29.10.1970 - VII ZR 14/69 -).