Rechtsprechung > Schadensersatz

Verzugsschaden


Kostenlast bei verfrühter Klage nach einem Verkehrsunfall

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2017 - 4 W 16/17 -

Nach einem Verkehrsunfall vom 05.01.2017 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers von der beklagten Haftpflichtversicherung  mit Schreiben vom 13.01.2017 einen vorläufig mit € 8.257,44 bezifferten Schadensersatz unter Fristsetzung bis zum 27.01.2017. Mit weiterem Schreiben vom 31.01.2017 überließ er den von der beklagten Versicherung erbetenen ausgefüllten Fragebogen für Anspruchsteller. Die Klageschrift vom 14.02.2017,  mit der € 9.384,67 zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie Zinsen geltend gemacht wurden, ging bei dem Landgericht am 17.02.2017 ein; sie richtete sich gegen den Fahrer des haftpflichtversicherten Fahrzeuges und seine Versicherung.  Ausgehend von einer Haftungsquote zu 50% zahlte die Versicherung eingehend am 06.03.2017 € 4.650,69 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 492,54.  Die Klage wurde am 08.03.2017 zugestellt. Der Kläger nahm die Klage in Höhe der gezahlten Beträge zurück. In Ansehung des zurückgenommenen Teils der Klage hat das Landgericht die Kosten zu Lasten des Klägers festgestellt. Dagegen richtete sich die nach § 269 Abs. 5 S. 1 ZPO zulässige Beschwerde des Klägers. Das Landgericht half ihr nicht ab; das OLG Saarbrücken wies sie zurück.

 

Nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO hat das Gericht nach billigen Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden, wird die Klage deshalb zurückgenommen, da der Anlass für die Klage vor Rechtshängig (d.h. Zustellung) weggefallen.  Der Kläger habe, so das OLG, darzulegen und zu beweisen, dass seine Belastung mit Kosten billigen Ermessen widerspräche (BGH vom 06.10.2005 - I ZB 37/05 -). 

 

Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass dem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer bei der Regulierung grundsätzlich eine Prüfpflicht zuzubilligen sei. Vor deren Ablauf würde Verzug nicht eintreten und sei eine Klage nicht veranlasst. Erhebe der Geschädigte vor Ablauf der Prüffrist Klage, könne der Versicherer noch ein sofortiges Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast abgeben (§ 93 ZPO) oder bei fristgerechter Regulierung und anschließender Klagerücknahme oder übereinstimmender Erledigungserklärung auf eine ihm günstige Kostenentscheidung vertrauen. Die Prüffrist läge im Interesse aller pflichtversicherten Kraftfahrzeughalter, da diese mit ihrer Prämie die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen hätten. Ein Anlass zur Klageerhebung fehle auch dann, wenn der Versicherer die Zahlung von der Einreichung von Schadensbelegen abhängig mache oder wegen nicht prüffähiger Belege verweigere, sofern er mitteilt, welche Angaben und Unterlagen er noch benötige. Ein dilatorisches Verhalten des Versicherers dürfe allerdings nicht vorliegen.

 

Die Prüffrist beginne mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens. Die Dauer der Frist hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei durchschnittlichen Verkehrsunfällen würde gemeinhin eine Prüffrist von vier bis sechs Wochen angenommen.

 

Der gegnerische Haftpflichtversicherer benötige stets zur sachgerechten Prüfung seiner Eintrittspflicht und des Haftungsgrundes zumindest kurze Angaben zum Unfallgeschehen. Wird nicht von den Unfallbeteiligten vor Ort bereits ein Unfallprotokoll ausgefüllt und dem Haftpflichtversicherer überlassen, könne der Anspruchsteller nicht davon ausgehen, dass der Versicherer von dem Unfallgegner bereits informiert wurde.  Die entsprechenden Angaben seien hier erst mit dem Fragebogen für Anspruchsteller, der mit Schreiben vom 31.01.2017 überlassen wurde, erfolgt.  Das Schreiben vom 13.01.2017 habe sich auf Angaben zum Unfallort und die Unfallzeit beschränkt und nicht einmal eine grobe Darstellung des Unfallhergangs aus Sicht des Klägers enthalten. Mangels Hergangsschilderung zum Unfall sei daher eine Prüfung für den Versicherer nicht möglich gewesen.

 

 

Vor diesem Hintergrund habe der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, die dem Wert der Teilrücknahme der  Klage entsprechen.


Nicht jeder Verzug begründet einen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten

BGH, Urteil vom 25.11.2015 – IV ZR 169/14 -

Der Beklagte schuldete dem Kläger die Rückzahlung eines Darlehens bis zum 31.12.2012 (einem Montag). An dem 31.12.2012 erteilte der Beklagte seiner Bank einen Online-Überweisungsauftrag (am einem 31.12. wird in Banken ebensowenig wie an einem 24.12. gearbeitet; sogen. „Bankfeiertage“). Am 2.1.2013 beauftragte der Kläger seinen Anwalt, der mit Mail vom gleichen tag den Beklagten zur Zahlung bis zum 3.1.2013 aufforderte. Der Beklagte überließ in Kopie seinen Überweisungsauftrag. Die Gutschrift bei dem Kläger erfolgte am 4.1.2013 mit Wertstellung zum 2.1.2013.

 

Das Landgericht hat die auf Erstattung die Anwaltsgebühren gerichtete Klage abgewiesen, das OLG Karlsruhe hat ihr stattgegeben. Auf die zugelassene Revision erfolgte die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

 

Der BGH geht in der Sache von einem Schuldnerverzug des Beklagten aus. Offen bleibe könne (weiterhin), ob mit der Zahlungsbewirkung oder erst mit dem Zahlungseingang ein Verzug ausgeschlossen wird, da jedenfalls auch der Zahlungsauftrag erst zum 2.1.2013 angenommen werden könne. Da der 31.12 ein „Bankenfeiertag“ sei und am 1.1. eines Jahres ein allgemeiner Feiertrag sei, wäre der Zahlungsauftrag erst zum 2.1.2013 anzunehmen, weshalb jedenfalls Verzug vorläge.

 

Allerdings hänge der Schadensersatzanspruch auf Erstattung von Anwaltsgebühren gem. § 286 Abs. 1 BGB von weiteren Voraussetzungen ab als z.B. die Verzinsungspflicht nach § 288 Abs. 1 BGB. Hier wäre erforderlich, dass aus der ex-ante-Sicht einer vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Person in dieser Situation die Einschaltung eines Anwalts zur Wahrung und Durchsetzung der eigenen Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGHZ 127, 348, 350f).  Diese Voraussetzung war nach Ansicht des BGH im Streitfall nicht erfüllt.

 

 

Selbst wenn am 2.1.2013 die Gutschrift auf dem Konto des Klägers noch nicht erfolgt war, hätte er auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls von einer Mandatierung Abstand nehmen müssen.  Eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Person hätte hier die Möglichkeit gesehen, dass der Beklagte die Zahlung jedenfalls bereits veranlasst hat. So habe der Beklagte noch am 27.12.2012 unter Angabe des Kontos mitgeteilt, dass die Zahlung erfolgen würde. Da der 29.12. ein Samstag, der 30.12. ein Sonntag, der 31.12. ein bankenfreier Tag und der 1.1. wieder ein Feiertag gewesen sind, in Ansehung der Höhe der Überweisung mit € 50.000,00 auch mit einer manuellen Überprüfung der Überweisung gerechnet werden musste, hätte der Kläger mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte seiner eigenen Ankündigung nicht folgen würde.