Vereinsrecht


Notwendige Satzungsregelungen zur virtuellen Mitgliederversammlung

OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2022 - I-27 W 58/22 -

Das Vereinsregister hatte die Anmeldung der (einstimmig beschlossenen) satzungsändernden Regelung zur Ausübung von Mitgliedschaftsrechten in einer Mitgliederversammlung im Wege elektronischer Kommunikation des beschwerdeführenden Vereins als zu unbestimmt und daher unzulässig angesehen. Die Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

 

Das OLG wies darauf hin, dass eine Vereinssatzung sehr wohl die Möglichkeit einer virtuellen Versammlung begründet, auch, dass sie alternativ eine reale und eine virtuelle Versammlung vorsehen würde, ebenso wie Mischformen (Teilnahme physisch oder nach Wahl virtuell) denkbar seien. Dies könne mit Begründung des verein sind ei Satzung aufgenommen werden, aber auch nachträglich.

 

Das OLG stellte auf die Notwendigkeit einer konkreten Fassung der Satzungsregelung ab. Es müssten zwar nicht sämtliche Einzelheiten der virtuellen Durchführung geregelt werden (wie sie der Entscheidung des OLG Hamm vom 27.09.2022 - 27 W 106/11 - zugrunde gelegen hätten), aber es müsse der Satzung der grundsätzliche Durchführungsweg einer virtuellen Mitgliederversammlung entnommen werden können. Dies gelte insbesondere dann, wenn eine Mischform aus realer und virtueller Mitgliederversammlung zugelassen würde, da sichergestellt werden müsse, dass die virtuell anwesenden ebenso wie die physisch anwesenden Mitgliedre partizipieren können.

 

Die neue Satzungsregelung, dass ein teil der Mitglieder oder alle ihre Mitgliedsrechte im Wege elektronischer Kommunikation und ohne Anwesenheit am Versammlungsort ausüben könnten, sei dahin auszulegen, dass auch eine rein virtuelle Mitgliederversammlung durchgeführt werden könne und sei nicht unbestimmt. Nicht geregelt sei aber, ob es im Rahmen einer virtuellen Mitgliederversammlung erforderlich sei, dass sämtliche Mitgliedre gleichzeitig unter Nutzung der elektronischen Kommunikationsmittel virtuell anwesend sein müssen, oder ob es ausreichend sei, dass diese auf elektronischen Weg Fragen und Anträge stellen und ihre Stimme abgeben könnten, sie aber nicht gleichzeitig virtuell anwesend sein müssten und auch nicht die Möglichkeit einer Diskussion bestehen müsse. Wegen der Wesentlichkeit sei dies aber in der Satzung zu regeln und könne nicht in das Ermessen des Vorstandes gestellt werden.

 

 

Weiterhin enthalte die neue Satzungsregelung keine Regelung dazu, wie die vorgesehene Möglichkeit der Wahrnehmung der Mitgliedsrechte auf elektronischen Weg durch den dies nutzenden Teil der Mitglieder umgesetzt werden soll. Letztlich könne es sich entsprechend der Videoverhandlung nach § 128a ZPO nur um eine reale Mitgliederversammlung handeln, bei der den Mitgliedern freigestellt würde, an dieser virtuell teilzunehmen. In diesem Fall der Mischform müsse aber eine vergleichbare Partizipation der virtuell und physisch anwesenden Mitgliedre gewährleistet sein. Wie vorliegend die virtuell teilnehmenden Mitglieder ihre Mitgliedschaftsrechte wahrnehmen können, sei aber nicht geregelt. Es würden insbesondere Regelungen dazu fehlen, dass den virtuell Teilnehmenden wie den real Teilnehmenden die Verfolgung der Mitgliederversammlung ermöglicht werden muss und sie Fragen und Anträge stellen und sich an Abstimmungen beteiligen können. Auch das führe zur Unzulässigkeit der Satzungsregelung.


Dorfladen als Betrieb eines Idealvereins ?

OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.01.2022 - 8 W 233/21 -

Die Beteiligten zu 2. und 3. meldeten den Verein „-Laden“ beim zuständigen Amtsgericht in das Vereinsregister an. In der Satzung war in der Präambel festgehalten, dass sich Bürger zusammengeschlossen hätten, um in einem bestimmten Ortsteil „nachhaltige Einkaufsmöglichkeiten“ zu schaffen und soziale Funktionen für das Miteinander am Ort zu übernehmen. In § 2 wurde als Zweck die Verbesserung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Dingen des täglichen Bedarfs und eine damit verbundene Erhöhung der Lebensqualität in dem Ort benannt; weiter heißt es, der Verein ermögliche durch den betrieb des Ladens die Belebung der Dorfmitte und schaffe Raum für weitere Aktivitäten wie Tauschbörse oder Austauschplattform.

 

Das Amtsgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, es handele sich nicht um einen Idealverein nach § 21 BGB, sondern um einen wirtschaftlichen Verein nach § 22 BGB. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab. Das OLG Stuttgart hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und verwies den Antrag zur erneuten Verbescheidung durch das Amtsgericht an dieses zurück. Entgegen der Ansicht sah das OLG in dem Verein einen Idealverein.

 

Entscheidend sei für die Unterscheidung, ob der Verein einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betreibe. Dies sei dann anzunehmen, wenn der Verein über den vereinsinternen Bereich hinausgehend planmäßig auf Dauer eigenunternehmerische Tätigkeiten zur Schaffung vermögenswerter Vorteile für den Verein oder dessen Mitglieder entfalte. Anders sei dies nur, wenn es sich dabei um eine Nebentätigkeit gegenüber der nichtunternehmerischen Tätigkeit handele.

 

Auch nach Ansicht des OLG betreibe dieser Verein mit dem Vertrieb von Lebensmitteln eine unternehmerische Betätigung, da er Leistungen am Markt anbiete und am Wirtschafts- und Rechtsverkehr wie ein Unternehmer teilnehme. Dass sich der Verein nach der Satzung nur an seien Mitglieder wende, ändere an der entsprechenden Feststellung nichts. Nach der sogen. Kita-Rechtsprechung des BGH sei aber eine wirtschaftliche Betätigung eintragungsunschädlich, solange dies zur Verfolgung des ideellen Vereinszwecks erfolge (BGH, Beschluss vom 16.05.2017 - II ZB 7/16 -). Ebenso sei unschädlich, wenn der ideelle Zweck direkt durch die wirtschaftliche Betätigung erfüllt würde (BGH aaO.).

 

Dies träfe auf den Verein „-Laden“ zu. Die wirtschaftliche Betätigung sei nicht Haupt- oder Selbstzweck, sondern dem ideellen Zweck untergeordnet. Deutlich würde dies bereits aus der Präambel, wonach durch den betrieb des Dorfladens in der Dorfmitte eine nachhaltige Einkaufsmöglichkeit und gleichermaßen („ebenso“) ein gemeinschaftliches Miteinander ermöglicht werden sollte. § 2 (Zweck) der Satzung sähe unter Z. 5 vor, der Laden solle die Versorgung mit überwiegend regionalen, saisonalen, biologischen und möglichst gering verpackten Lebensmitteln sicherstellen du bezwecke eine Belebung der Dorfmitte sowie die Ermöglichung von sozialen Aktivitäten (Tauschbörse, Austauschplattform). Das in der ergänzenden Darlegung auf Nachhaltigkeit und Regionalität ausgelegte Konzept ließe sich an Hand eines Lieferantenbuchs und Lieferantenpatenschaften durch Mitglieder im Hinblick nachvollziehen.

 

Schließlich würden die erwirtschafteten Mittel für den Vereinszweck verwandt und es erfolge keine erkennbare Gewinnausschüttung; der Verein bleibe nichtwirtschaftlich, solange er mit dem Geschäftsbetrieb nur seine Kosten erwirtschafte.

 

Das OLG schient aber erkannt zu haben, dass die von ihm vorgenommene Abgrenzung nur eine schmale Differenzierung in der Bandbreite zum wirtschaftlichen Verein belässt. Der Dorfladen hat Kosten (wie Miete, Mietnebenkosten, Versicherungen, ggf. Personalkosten pp., weshalb auch über solche Kosten eine Gewinnrealisierung ermöglicht werden kann, wenn nämlich eine Personenidentität zwischen Vermieter, Verkäufer, Lieferant pp. und Mitgliedern besteht (was hier wohl im Einzelnen auch vom OLG nicht geprüft wurde). Wohl um die vorstehenden Erwägungen zur Unterscheidung des wirtschaftlichen vom nichtwirtschaftlichen (also Ideal-) Verein zu stützen, verwies das OLG abschließend darauf, dass sich für ihn  nicht ergäbe, dass der Verkauf von Waren des täglichen Lebens (insbesondere von Lebensmitteln) im Vordergrund stünde, vielmehr das Betreiben des Ladens dem ideellen Hauptzweck einer auf diversen Ebenen nachhaltig gestalteten, dem sozialen Miteinander dienenden und fördernden dörflichen Versorgungsform zuzuordnen sei, weshalb es unerheblich sei, ob der Geschäftsbetrieb in Konkurrenz zu anderen Anbietern trete. Wettbewerbsrechtliche Erwägungen seien nicht relevant (BGH aaO.).

 

 

Anmerkung: Vom Grundsatz ist den Erwägungen des OLG zu folgen. Alleine der Geschäftsbetrieb als solcher ist für die Abwägung, ob ein wirtschaftlicher Verein iSv. § 22 BGB oder ein nicht wirtschaftlicher Verein (§ 21 BGB, Idealverein) vorliegt nicht ausschlaggebend, wenn der Geschäftsbetrieb nicht um seiner selbst Willen betrieben wird, sondern dem ideellen Zweck des Vereins zu dienen bestimmt ist. 


Der Idealverein in Abgrenzung zum wirtschaftlichen Verein am Beispiel eine Gastwirtschaft  und Kita

OLG Celle, Beschluss vom 06.10.2021 – 9 W 99/21 -

Der Antragsteller, ein Verein, wurde am 27.03.2021 mit dem Zweck des Betriebs einer Gaststätte errichtet und beantragte am 19.04.2021 seine Anmeldung zum Vereinsregister. Nach vorangegangenen Hinweisen wies das Registergericht die Anmeldung mit der Begründung zurück, der Betrieb einer Gaststätte stelle keinen zulässigen (Haupt-) Zweck eines Idealvereins nach § 21 BGB dar.

 

Die dagegen eingelegte zulässige Beschwerde des Antragstellers wurde als unbegründet zurückgewiesen. Obwohl der Verein mangels Eintragung im Register nicht rechtsfähig sei, sei er doch, so das OLG, als „Vorverein“ berechtigt Rechtsmittel einzulegen (OLG Hamm, Beshcluss vom 11.07.2017 – 27 W 144/16 -).

 

Der Antragsteller sei (abweichend von der in der Beschwerde benannten Ansicht des Antragstellers) nicht als Idealverein nach § 21 BGB anzusehen, dessen Zweck also nicht auf den wirtschaftlichen Betrieb einer Gaststätte gerichtet sei (Fall des § 22 BGB).

 

Dazu verwies das OLG darauf, dass der Antragsteller („insbesondere“) eine „Doppelkneipe“ betreiben wolle und in einer Gastwirtschaft hauptsächlich alkoholische und nicht alkoholische Getränke konsumiert würden, was sich als „Paradefall“ eine wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nach § 22 BGB darstelle. Dass die Beschreibung des Vereinszwecks sin § 2 der Satzung idealisierend in die Nähe der Daseinsvorsorge rücke, ändere daran nichts.

 

Nur dann, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein zulässiger, untergeordneter und lediglich ein Hilfsmittel zur Errichtung des nicht wirtschaftlichen Hauptzwecks darstellender Nebenzweck wäre (wie die Vereinsgaststätte eines Sportvereins) käme die Eintragung als Idealverein in Betracht.

 

Erfolgs sei der Verweis auf die Kita-Beschlüsse des BGH (16.05.2017 zu II ZB 7/16 und II TB 9/16), mit denen der BGH die entgeltliche wirtschaftliche Unternehmertätigkeit als zulässigen Nebenzweck vor dem als entscheidend eigestuften Hintergrund angesehen habe, dass der Verein steuerlich gemeinnützig iSv. §§ 51ff AO war; eine steuerliche Gemeinnützigkeit des Antragstellers läge nicht vor und bei einer Gast-/Schankwirtschaft auch nicht deren Anerkennung als gemeinnützig anzunehmen.

 

 

Der Umstand, dass die Satzung keine Ausschüttung der Gewinne an die Mitglieder vorsehe ließe eine Gleichstellung meinem als gemeinnützig aberkannten Verein nicht zu. Für die wirtschaftliche Betätigung sei die Verschaffung von vermögenswerten Vorteilen für den Verein ausreichend.


Zur Frage, wer den (gerichtlichen) Antrag auf Einberufung einer Mitgliederversammlung eines Vereins stellen muss

Kammergericht, Beschluss vom 05.03.2020  - 22 W 80/19 -

Der Beschwerdeführer war Mitglied in einem 2012 gegründeten und seit 2013 im Vereinsregister eingetragenen Verein und begehrte unter Verweis auf eine Ermächtigung von mehr als 1/3 der Mitglieder des Vereins, ihn zur Einberufung einer Mitgliederversammlung zwecks Neuwahl des Vorstandes zu ermächtigen, da er näher dargelegte Bedenken zum vorangegangenen Wahlvorgang habe. Der Antrag wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Die eingelegte Beschwerde wurde ebenfalls zurückgewiesen.

 

Nach Auffassung des Kammergerichts (KG) waren die Voraussetzungen für eine Ermächtigung nach § 37 Ab. 2 S. 1 BGB nicht gegeben. Nach § 37 Abs. 1 BGB ist eine Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn der in der Satzung bestimmte Teil oder, fehlt es an einer Satzungsregelung, der zehnte Teil der Mitgliedre die Einberufung unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangt. Wird dem nicht gefolgt, kann das Gericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Einberufung ermächtigen.

 

Die Ansicht des Amtsgerichts, es würde kein Bedürfnis für die Versammlung bestehen, hielt das KG für fehlerhaft, da § 37 Abs. 2 S. 1 BGB gerade einem Minderheitenrecht Geltung verschaffen wolle. Damit sei eine Versammlung einzuberufen, unabhängig davon, ob diese notwendig oder zweckmäßig sei.  

 

 

Allerdings sei gleichwohl die Beschwerde nicht begründet, da das außergerichtliche verlangen wie auch der gerichtliche Antrag nur vom Beschwerdeführer gestellt worden seien. Beides hätte aber von den Mitgliedern gestellt werden müssen, die das notwendige Quorum darstellen. Das folge aus dem Gleichlauf der Voraussetzungen zur Wirksamkeit eines Einberufungsverlangens an den vorstand und dessen gerichtlicher Durchsetzung.