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Schadensersatz


Verkehrssicherungsverletzung bei gespannter Slackline im Free-Style-Bereich

OLG Frankfurt, Urteil vom 05.08.2021 - 16 U 162/20 -

Die Beklagte unterhielt in ihrem Fitnessstudio einen sogen. Free-Style-Bereich. Es handelte sich um einen  Bereich, in dem die Kunden des Studios u.a. verschiedene bereitliegende Geräte nehmen und nach eigener Vorstellung mit diesen trainieren konnten.  In diesem Bereich war eine sogen. Slackline (Kunstfaser- oder Gurtband, auf dem balanciert werden kann) in signalroter Farbe zwischen zwei Säulen auf einer Distanz von 6 bis 8 m gespannt, die nach Angaben der Beklagten in einer Höhe von 50 cm, nach Angaben der 74-jährigen Klägerin (die sie allerdings nach eigenen Angaben gesehen haben will) 15 – 20 cm angebracht war. Die Klägerin stürzte über die Slackline und zog sich Frakturen am Schienbein und einen Wadenbeinbruch zu und klagte auf Schmerzensgeld und Feststellung eines weiteren materiellen und immateriellen Schadens. Sie wandte sich mit ihrer Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts. Ihre Berufung wurde zurückgewiesen. Es würden weder aus Vertrag noch aus Delikt  Ansprüche aus einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten bestehen.

 

Die gebotene Verkehrssicherungspflicht erfordere diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halte, um andere vor Schäden zu bewahren. Es müsse daher nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Von daher reiche es aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm nach den Umständen auch zumutbar seien. Gerade der Betreiber einer Sport- und Spielanlage brauche daher nicht allen Gefahren vorzubeugen; ausreichend sei eine Verkehrssicherung in Bezug auf Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen würden und für den Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar seien (BGH, Urteil vom 09.09.2008 - VI ZR 279/076 -).

 

Die Slackline, bei der möglicherweise die Gefahr bestanden habe, über diese zu stolpern, sei nach Auffassung des OLG auch für einen durch sportliche Übung bereits etwas erschöpften Menschen deutlich zu sehen gewesen. Sie sei durch die rote, signalartige Farbe von weitem zu erkennen gewesen und habe sich deutlich von der grün-grau-schwarzen Bodenfläche (auch aus der Ferne) abgehoben. Auch wenn sie eventuell nicht mit der vollen breiten Seite, sondern nur mit der schmalen Seite gesehen würde, sei sie noch deutlich erkennbar gewesen, weshalb sie die Klägerin beim Betreten des Free-Style-Bereichs hätte erkannt werden können.

 

Zudem stelle der Free-Style-Bereich keinen Bereich dar, in dem nach seiner Zweckbestimmung nicht mit Hindernissen zu rechnen sei. Da er von den Nutzern frei als Bewegungsraum für das eigene Training auch mit Hantieren von Geräten und auch Bodenübungen genutzt werden soll und wurde, sei bereits mit dem Herumliegen von Geräten und anderen Nutzern zu rechnen. Die Klägerin selbst habe sogar nach ihren eigenen Angaben Bodenübungen machen wollen und zum Zeitpunkt des Sturzes nach einem Platz für ihr Handtuch gesucht. Von ihr sei zu erwarten gewesen, dass sie auf bereits trainierende andere Nutzer und die Geräte achtet, wobei sie sogar in ihrer Anhörung eingeräumt habe, dass sie die Slackline früher schon gesehen habe. Nach alledem habe für sie auch individuell Anlass bestanden, beim Betreten des Bereichs Aufmerksamkeit walten zu lassen.

 

Die von der Klägerin benannte Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 16.07.2019 - 14 U 60/16 -) würde nicht einschlägig sein. Dort war eine  Slackline quer über einen Rad- und Fußweg gespannt gewesen, vorliegend aber war die Slackline nicht über oder im Bereich einer Verkehrsfläche gespannt.

 

Dahinstehen könne, ob die Slackline nur in einer Höhe von 15 – 20 cm gespannt gewesen sei, da das OLG nach Durchführung einer Beweisaufnahme von einer Höhe von etwa 50 cm überzeugt sei. Nicht nur sei dies auf einem Foto (drei Tage nach dem Vorfall aufgenommen) ersichtlich du wurde es auch entsprechend von einer Zeugin glaubhaft bekundet. Die Bekundung der Zeugin sei auch plausibel, da dann, wenn die Slackline tiefer gespannt würde, diese bei einer Länge von einigen Metern unter dem Gewicht eines Menschen bis auf den Boden durchdrücken würde und damit für Balance- und Kraftübungen nicht geeignet sei.

 

 

Da die Slackline als zu übersteigendes Hindernis deutlich erkennbar gewesen sei, stelle sie keine Stolperfalle im Sinne der Arbeitsstättenverordnung Fußböden ASR 8/1 dar, die eine (zusätzliche) Kenntnismachung erfordere.


Yogakurs für Gruppen (Schwangere): Kein Behandlungsvertrag nach § 630a BGB – Zur Haftung für gesundheitliche Risiken

OLG Zweibrücken, Urteil vom 26.06.2018 - 5 U 22/18 -

Die Beklagte, die von Beruf im Krankenhaus angestellte Hebamme war, bot freiberuflich auf eigene Rechnung Yoga für Schwangere an. Die Klägerin war schwanger. Sie belegte den Kurs bei der Beklagten. Gleich in der ersten Kursstunde, bei Übungen im Stehen, stürzte die Klägerin und zog sich eine Commotio cerebri mit Ansomie zu; dies war auf einer Vorerkrankung der Klägerin zurückzuführen, die (so ihr Vorwurf) von der Beklagten hätte festgestellt und beachtet werden müssen. Sie verklagte die Beklagte auf materiellen und immateriellen (auch zukünftigen) Schadensersatz.

 

Klage und Berufung wurde zurückgewiesen. Eine Haftung der Beklagten für die Folgen des Sturzes während der Yogastunde käme nicht in Betracht.

 

Das OLG musste abgrenzen, ob es sich vorliegend um einen Behandlungsvertrag iSv. § 630a BGB handeln würde, um einem den Fitnessstudioverträgen angepassten Vertrag oder um einen Dienstvertrag. Das Landgericht hatte einen Behandlungsvertrag mit der Begründung negiert, Gegenstand des Vertrages seien Sport- und Fitnesstätigkeiten. Dem wollte das OLG so nicht folgen. Allerdings sei ein Behandlungsvertrag auf eine medizinische Behandlung eines Menschen ausgerichtet, welches physisches oder psychisches Leid lindern solle. Typisch seien Diagnose und Therapie, wobei als Behandler nicht nur Ärzte sondern auch Angehörige anderer Heilberufe in Betracht kämen, wie auch u.a. Hebammen. Letztlich käme es für die Vertragsart aber nicht auf den Beruf des Behandlers an, sondern auf den Inhalt des Vertrages, seine Ausrichtung.

 

Auch wenn sich nicht generell sagen ließe, bei Yoga würde es sich generell um keine medizinische Behandlung, sondern um Sport- und Fitnesstätigkeit handeln, läge hier kein Behandlungsvertrag vor. Die Einordnung von Yoga sei eine Frage des Einzelfalls. So seien Fälle denkbar, in denen ein Yogalehrer ähnlich einem Physiotherapeuten eine auf Heilung und Linderung gerichtete Tätigkeit ausübe. Allerdings könne dies hier bereits deshalb ausgeschlossen werden, da es sich um einen Gruppenkurs und nicht eine Einzel-Behandlungsmaßnahme gehandelt habe.

 

Damit stünde nicht eine medizinische Behandlung sondern die Durchführung von Übungen nach Vorgabe des Kursleiters im Vordergrund. Eine anamnestische, diagnostische oder einzeltherapeutische Vorgehensweise sei der Kursunterrichtung nicht immanent. Der Vorfall, der sich auf Grund gesundheitlicher Schwächen der Klägerin ereignet haben soll, wäre daher nicht der Beklagten anzulasten, da es nicht Sache des Kursleiters sei, ungefragt eine Risiko- und Eignungsprüfung durchzuführen, auch nicht, wenn (wie hier) der Kurs speziell auf schwangere ausgelegt sei und der Kurs mit Bezug auf den Beruf der Beklagten als Hebamme beworben worden sei.  

 

 

Ein Anspruch der Klägerin würde sich auch nicht aus § 280 BGB iVm. einem Dienstvertrag bzw. typengemischtem Vertrag mit dienstvertraglichem Schwerpunkt ableiten lassen, da auch hier Anamnese, Befunderhebung, Diagnose pp. nicht geschuldet seien und das entsprechende Unterlassen daher kein Verschulden darstellen könne. Dass die von der beklagten abverlangten Übungen generell für Schwangere ungeeignet seien, sei von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.