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Schmerzensgeld


Zur Berücksichtigung von Verletzungsfolgen bei Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes

BGH, Urteil vom 10.07.2018 - VI ZR 259/15 -

Die Klägerin stürzte auf dem Gehweg vor dem Grundstück des Beklagten (dem die Räum- und Streupflicht oblag) infolge von Glatteis und zog sich dabei einen Außenknöchelbruch links vom Typ Weber B zu. Der Bruch wurde operativ im Rahmen eines zweiwöchigen Krankenhausaufenthaltes versorgt.  U.a. verlangte sie ein Schmerzensgeld von mindestens € 50.000,00. Das Landgericht sprach ein Schmerzensgeld von € 12.500,00 zu. Im Berufungsverfahren verlangte sie ein weiteres Schmerzensgeld nicht unter € 37.500,00. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Der BGH hob insoweit das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück.

 

Bei seiner Entscheidung stellte das OLG darauf ab, das zuerkannte Schmerzensgeld einen angemessenen Ausgleich für den bisher erlittenen immateriellen Schaden darstelle.  Dabei ging das OLG davon aus, dass die Gebrauchstauglichkeit des linken Beines deutlich eingeschränkt sei und die Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk links weitestgehend aufgehoben sei, sich das Gangbild als hinkend darstelle und die Klägerin weitgehend nicht in die Hocke gehen und hinknien könne. Neben persistierenden Schmerzen, Schlafstörungen und der Bewegungseinschränkung habe das Landgericht die Schwellung im Bereich der Knöchel und die Narbe berücksichtigt sowie eine MdE von 20%. Allerdings könne, wie ein vom Gericht eingeholtes Gutachten ausgeführt habe, derzeit nicht abschließend geklärt werden, ob und wie sich der bestehende Zustand weiter entwickle.

 

Der BGH wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass Streitgegenstand ein einheitlicher Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld sei. Das Berufungsgericht habe nicht beachtet, dass dabei eine ganzheitliche Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes erforderlich sei (BGH, Beschluss des Großen Senats vom 06.07.1955 - GSZ 1/55 -, BGHZ 18. 149, 151ff). Verlange der geschädigte wie vorliegend für eine erlittene Körperverletzung uneingeschränkt Schmerzensgeld, so wären alle entweder bereits eingetretenen und objektiv erkennbaren Verletzungsfolgen erfasst wie auch jene, deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen werden könnten. Lediglich Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt (Tag der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz) noch nicht eingetreten wären und deren Eintritt nicht objektiv vorherbar wären (mit denen also nicht ernsthaft gerechnet werden müsse) und die deshalb bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zwangsläufig unberücksichtigt bleiben müssten, würden von dem Klageanspruch nicht erfasst werden und könnten nur Gegenstand eines Feststellungsantrages sein (BGH, Urteil vom 14.02.2006 - VI ZR 322/04 -).  

 

 

Nicht geklärt habe das Berufungsgericht, worauf die behauptete fortdauernde Schmerzsymptomatik beruhe und wie sich diese auf den Schmerzensgeldanspruch auswirke, da lediglich hinsichtlich der Schmerzsymptomatik die Verletzungsfolgen berücksichtigt worden seien, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestanden hätten. So habe bereits die Klägerin in der Berufungsbegründung darauf verwiesen, dass das Landgericht nicht Dauerschäden schmerzensgelderhöhend berücksichtigt habe. Der Sachverständige sei nach den Feststellungen des OLG davon ausgegangen, dass die Schmerzsymptomatik weiterer Abklärung zugänglich sei; hierfür kämen sowohl unfallbedingt entstandene Knochenmarködeme als auch eine auf dem Unfallgeschehen fußende psychosomatische Erkrankung in Betracht. Hier wären weitere Untersuchungen zu veranlassen.