Kunst- und Urheberrecht


Drohneneinsatz und Panoramafreiheit nach § 59 UrhG

BGH, Urteil vom 23.10.2024 - I ZR 67/23 -

Die Klägerin klagte gegen die Beklagte wegen eines von ihr veröffentlichten Buches, welches mittels einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen von Installationen von Künstlern enthielt mit dem Antrag, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln, ohne ihre Einwilligung die Veröffentlichung von Abbildungen, Vervielfältigungen  und Verbreitung (selbst oder durch Dritte) von Werken bestimmter Künstler zu unterlassen und begehrte darüber hinaus Schadensersatz. Das Landgericht gab der Klage statt. Im Rahmen der Berufung wurde vom OLG lediglich der Schadenersatzanspruch heruntergesetzt. Die vom OLG zugelassene Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.

 

Die Aktivlegitimation der Klägerin (ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, dessen satzungsgemäßer Zweck die treuhänderische Wahrnehmung der Nutzungs- und Einwilligungsrechte sowie der Vergütungsansprüche von Urhebern und Leistungsberechtigten im visuellen Bereich war, stand fest (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 iVm. §§ 16, 17 UrhG). Die Beklagte, so der BGH, habe in die den Urhebern nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 iVm. §§ 16, 17 UrhG zustehenden Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der Werke eingegriffen.

 

Es handele sich um bildliche Widergaben von Installationen der Künstler gehandelt, die iSv. § 16 Abs. 1 UrhG vervielfältigt worden seien. Dazu würde jede körperliche Festlegung eines Werks zählen, die geeignet sei, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen, einschließlich der bildlichen Wiedergabe von körperlicher Kunst (BGH, Urteil vom 23.02.2017 – I ZR 92/16 -). Die Beklagte habe durch den Vertrieb der Bücher mit Lichtbildern der Installationen, auch in das Verbreitungsrecht der Urheber eingegriffen (BGH aaO.).

 

Es habe sich nicht um erlaubte Nutzungen der dargestellten Werke nach § 59 Abs. 1 UrhG gehandelt. Danach sei es nur erlaubt, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befänden, mit Mitteln der Malereien oder Grafik, Lichtbild oder Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. De Aufstellung eines Kunstwerks an einem öffentlichen Ort bringe zum Ausdruck, dass das Werk der Allgemeinheit gewidmet sei und damit jedermann es abbilden und diese Abbildung verwerten dürfe.

 

Bei der Auslegung von § 59 Abs. 1 S. 1UrhG (Panoramafreiheit) sei zu berücksichtigen, dass diese Reglung der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG diene. Danach könnten die Mitgliedstaaten für bleibend an öffentlichen Orten befindlichen Werken der Baukunst oder von Plastiken Ausnahmen von Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts vorsehen. Wenn sie eine Ausnahme von der Beschränkung des Vervielfältigungsrechts vornehmen könnten, könnten sie auch eine Ausnahme von Beschränkungen vom Verbreitungsrecht vornehmen, soweit dies durch den Zweck der erlaubten Vervielfältigung gerechtfertigt sei.

 

Vorliegend handele es sich bei den Fotografien um Lichtbilder iSv. § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG. Die Installationen hätten sich „an“ öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befunden, wenn sie von dort aus wahrnehmbar gewesen wären, unabhängig davon, ob das Werk selbst öffentlich zugänglich wäre. Wege, Straßen und Plätze seien „öffentlich“, wenn sie für jedermann frei zugänglich seien.

 

Hier seien die Installationen von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden.

 

Die Lichtbilder seien aber mittels Drohnen aus dem Luftraum gefertigt worden. Solche Lichtbilder seien von der durch § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG gewährleisteten Panoramafreiheit nicht erfasst. § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG stelle eine Schrankenbestimmung dar, die es dem Publikum ermöglichen soll, das, was es mit eigenen Augen von der öffentlich zugänglichen Straße, Weg oder Platz sehen kann, als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder Film zu betrachten. Diese Freiheit gelte aber nicht, wenn der Blick z.B. durch Fotografie von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus fixiert werden soll (BGH, Urteil vom 05.06.2003 - I ZR 192/00 -, Hundertwasserhaus). Auch seien keine Aufnahmen des Werks erfasst, die unter Verwendung von Hilfsmitteln (wie Leitern) oder nach Beseitigung von bildschützenden Vorrichtungen (wie Hecken) angefertigt würden. Dies gelte auch für die Zuhilfenahme von Fluggeräten wie hier der Drohne.


Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) versus Persönlichkeitsrecht(Art. 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 1 GG) bei Straßenfotografie

BVerfG, Beschluss vom 08.02.2018 - 1 BvR 2112/15 -

Der Beschwerdeführer nahm an einer Straßenausstellung („Ostkreuz: Wetswärts. Neue Sicht auf Charlottenburg“), teil, in deren Rahmen 24 Ausstellungstafeln mit 146 Fotografien im öffentlichen Bereich gezeigt wurden. Auf einem der Fotos, gefertigt vom Beschwerdeführer und Beklagten des vorangegangenen Verfahrens) war die Klägerin des vorangegangenen Verfahrens zu sehen, die mit einer Handtasche in der einen Hand, einer Plastiktüte in der anderen Hand an einer Ampel eine Straße überquerte und in Richtung der Kamera zu blicken scheint, wobei ihr Gesicht gut erkennbar war. Die Person der Klägerin nahm auf dem Bild, welches eine Ausstellungstafel von 120 x 140cm füllte, einen Anteil von 1/3 ein. Der Beschwerdeführer hatte die Klägerin nicht um Erlaubnis gefragt, die diesen abmahnte; die strafbewehrte Unterlassungserklärung gab der Beschwerdeführer ab, zahlte aber nicht die dann im Zivilverfahren streitgegenständlichen Anwaltsgebühren und begehrten fiktiven Lizenzkosten; Der Beschwerdeführer wurde zur Zahlung der Anwaltsgebühren verurteilt; die fiktiven Lizenzkosten wurden der Klägerin versagt. Der Beschwerdeführer wandte sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen seine Verurteilung zur Zahlung der Anwaltsgebühren von € 795,46.

 

Die Verfassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen.

 

Das Foto stelle ein unverfälschtes Abbild der Realität dar. Dies würde nicht einem Kunstwerk entgegenstehen, da ersichtlich würde, dass der Beschwerdeführer ersichtlich die Wirklichkeit künstlerisch gestalten wollte. Ziel einer Straßenfotografie sei gerade, die Realität unverfälscht abzubilden, wobei das spezifisch Künstlerische in der Auswahl des Realitätsausschnitts läge und in der Gestaltung mit fotografischen Mitteln zum Ausdruck käme. Es handele sich damit bei dem Foto um ein Kunstwerk, bei dem Einrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium Fotografie zur Anschauung gebracht würden.

 

Von der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 G) sei nicht nur die Anfertigung der Fotografie umfasst, sondern auch deren öffentliche Ausstellung.

 

Im Rahmen des Abwehranspruchs der Klägerin nach §§ 1004 Abs. 1 S. 2 iVm. 823 Abs. 1 BGB, 22ff KUG habe das Kammergericht im Berufungsrechtszug die Bedeutung und Tragweite der Kunstfreiheit richtig gewürdigt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen sei nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstrecke sich auf alle auslegungsfähigen und –bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften. Eine Korrektur durch das Verfassungsrecht sei nur möglich, wenn Fehler im Urteil erkennbar wären, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruhen würden, insbesondere zum Schutzbereich, und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht seien, insbesondere wenn darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelungen leiden würde.

 

Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleiste zwar die Kunstfreiheit vorbehaltslos, aber nicht schrankenlos. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 1 GG würde Grenzen der Kunstfreiheit ziehen. Zum Persönlichkeitsrecht würden das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, die soziale Anerkennung und die persönliche Ehre gehören. Außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit könne dem Persönlichkeitsrecht ein erhöhtes Gewicht zukommen, so bei Abbildungen des Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags.

 

Auch die Kunstfreiheit würde für das Persönlichkeitsrecht Grenzen ziehen, weshalb es nicht ausreichend wäre, eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen. Zu klären wäre im Einzelfall, ob die Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurücktreten müsse, Eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ließe sich durch die Kunstfreiheit nicht rechtfertigen.

 

Für die Lösung der Spannungslage könne auch nicht alleine auf die Wirkung des Kunstwerks im außerkünstlerischen Sozialbereich abgehoben werden, vielmehr müsse auch kunstspezifischen Gesichtspunkten Rechnung getragen werden.

 

 

Das Kammergericht habe die Bedeutung und Tragweite der Kunstfreiheit bei der Zuordnung des Bildes zum Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG und in das Ergebnis seiner Abwägung im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG einbezogen und sei damit auch den Eigengesetzlichkeiten der Straßenfotografie gerecht geworden. Die Schwere der Beeinträchtigung habe es aus der Art der Präsentation des Bildes als großformatigen Blickfang an einer belebten öffentlichen Straße in einer Millionenstadt hergeleitet und dabei auch erkannt, dass es mit der Kunstfreiheit nicht vereinbar wäre, den Wirkbereich von vornherein auf Galerien, Museen oder sonstige räumlich begrenzte Ausstellungsflächen zu begrenzen. Damit sei auch vom Kammergericht nicht von vornherein die ungestellte Abbildung von Personen (ohne ihre Erlaubnis) nicht generell unmöglich gemacht.