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Kündigung


Beweislast bei ordentlicher Kündigung zur Behauptung eines unbefristeten Mietverhältnisses

OLG Dresden, Urteil vom 12.07.2023 - 5 U 255/23 -

Der Kläger kündigte das Mietverhältnis des Beklagten über Gewerberäume mit der gesetzlichen Kündigungsfrist. Im Räumungsverfahren wurden diverse Mietverträge vorgelegt, unter anderem zwei Mieterträge datierend auf den 25.03.2014, bei dem der eine ein unbefristetes Mietverhältnis (ein Original, von dem der Beklagte behauptete, es sei eine Fälschung), der andere ein bis zum 31.12.2044 befristetes Mietverhältnis (eine vom Beklagten vorgelegte Kopie eines Mietvertrages) betraf. Das Landgericht gab der Räumungsklage statt. Die dagegen vom Beklagten eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

 

Für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob die Kündigung (mit gesetzlicher Kündigungsfrist) zur Beendigung des Mietverhältnisses führte und damit den Räumungsanspruch des Klägers begründete, kam es darauf an, wer für welche Tatsachenbehauptung darlegungs- und beweisbelastet war. Entscheidend war, ob die (vom Beklagten behaupteten) Befristungen des Mietverhältnisses bis zum 31.12.2044 bestand oder aber (so der Kläger) das Mietverhältnis unbefristet begründet wurde und von daher jederzeit mit der gesetzlichen Kündigungsfrist beendet werden konnte.  

 

Der vom Kläger vorgelegte Mietvertrag vom 25.03.2014 enthalte unter § 3.3 keine längere Kündigungsfrist (also keine Befristung, wie vom Beklagten für das Mietverhältnis behauptet). Dies vorausschickend wies das OLG darauf hin, dass dem Beklagten die Beweislast für seine Behauptung der Befristung bis zum 25.03.2014 treffe und er ihn nicht geführt habe. Der von ihm eine Befristung enthaltene Vertrag sei von dem Beklagten nur als Kopie, nicht als Original vorgelegt worden. Zwar habe der Beklagte erklärt, er werde zum Beweis dafür, dass der klägerseits unter dem Datum des 25.03.2014 eingereichte Mietvertrag erst Jahre später ausgefertigt worden sei und es sich um eine Fälschung handle, Antrag auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellen. Diesem Antrag müsse aber nicht nachgegangen werden. Denn auch wenn mit dem Beklagten unterstellt würde, dass der klägerseits vorgelegte Mietvertrag eine Fälschung sei, verbliebe es bei dem unstreitigen Vortrag der Parteien zu einen Vertragsabschluss am 25.03.2014 (mit einem ab dem 01.04.2014 laufenden Mietverhältnis). Selbst bei Annahme einer Fälschung des keine Befristung enthaltenen Mietvertrages würde sich daraus nicht der Rückschluss ergeben, dass das Mietverhältnis befristet gewesen sei. Von daher sah das OLG keine Veranlassung, den Beweis zu erheben.

 

Ferner behauptete der Beklagte, er habe das Original des die Befristung enthaltenen Mietvertrages dem Kläger ausgehändigt und benannte dazu Zeugen. Wäre der Vortrag zutreffend, so das OLG, wäre verständlich, weshalb der Beklagte diesen nicht (mehr) vorlegen könne. Doch hätten die benannten Zeugen nicht vernommen werden müssen, da der Beklagte erklärt habe, diese könnten zwar die Übergabe eines Dokuments durch ihn an den Kläger bestätigen, würden aber keine Kenntnis von dem Inhalt des Dokuments haben. Dann aber könnte sie auch nicht bestätigen, dass es sich bei dem Dokument um das Original des beklagtenseits benannten Mietvertrages gehandelt habe.

 

 

Anmerkung: Das OLG geht hier (zutreffend) von der prozessualen Grundregel aus, dass jede Partei die ihr günstigen Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen habe, soweit sie für die Entscheidung erheblich seien und (wie hier) keine gesetzliche Beweislastregelung existiert. Die Anwendung der Beweislastregeln zur Streitentscheidung stellt eine ultima ratio dar, die zum Tragen kommt, wenn vom Gericht alle zulässigen Beweismöglichkeiten ohne Erfolg ausgeschöpft sind und weitere Feststellungen nicht möglich erscheinen (BGH, Urteil vom 07.02.2017 – VII ZR 274/17 -), weshalb hier der Entscheidung des OLG zuzustimmen ist, nachdem auch die Anhörung der Parteien (§ 141 ZPO) vorliegend nicht die Feststellung iSv. § 286 ZP ermöglichte, ob der Mietvertrag unbefristet (so der Kläger) oder unbefristet (so der Beklagte) abgeschlossen wurde. Da eine Befristung eines Mietverhältnisses von länger als einem Jahr notwendig der Schriftform bedarf (§ 550 BGB), musste hier der sich gegen die Zulässigkeit der Kündigung wendende beklagte Mieter den Nachweis erbringen, dass eine Befristung in einem (schriftlichen) Mietvertrag vereinbart wurde, da ohne diese Schriftform der befristete Mietvertrag unabhängig von der vereinbarten Dauer der Befristung jedenfalls nach Ablauf eines Jahres ordentlich kündbar ist (BGH, Urteil vom 29.10.1986 - VII ZR 53/85 -). Da es sich hier bei der Befristung des Mietverhältnisses um einen Umstand zugunsten des sich gegen die Räumungsklage wendenden Beklagten handelte, war dieser beweisbelastet und musste unterliegen, da er den Beweis nicht führen konnte. 


Fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzug: Schongeldzahlung (§ 569 BGB)

BGH, Urteil vom 05.10.2022 - VIII ZR 307/21 -

Die Beklagte (Mieterin) kam mit ihren Mietzahlungen in Verzug und die Klägerin (Vermieterin) kündigte deshalb das Mietverhältnis fristlos, vorsorglich hilfsweise ordentlich. Nach Zustellung der Klage glich die Beklagte die Mietrückstände aus. Das Amtsgericht gab der Räumungsklage auf der Grundlage der hilfsweise ausgesprochenen Kündigung statt. Das Landgericht (LG Berlin, Urteil vom 20.08.2021 - 66 S 98/20 -) hatte im Berufungsverfahren die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob der BGH die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück.

 

Der BGH verwies darauf, dass die auf die ausgebliebenen Mietzahlungen gestützte Kündigung der Klägerin infolge der Schonfristzahlung (Befriedigung der ausstehenden Zahlungen innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage, § 569 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 BGB) nicht unwirksam geworden sei. Diese Zahlung würde lediglich die Folgen einer fristlosen Kündigung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) haben. Eine auf den zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Mietrückstand (zeitgleich) gestützte ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 S. 1m Abs. 2 Nr. 1 BGB bliebe von der Schonfristzahlung unberührt. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB sei hierauf weder direkt noch anlog anzuwenden.

 

Der anderweitigen, vom LG Berlin (so Urteil vom 01.07.2022 - 66 S 200/21 - vertretenen Ansicht widersprach der BGH. Das LG Berlin habe sich zur Begründung des anderweitigen Normverständnisses des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB insbesondere auf ein historisches Normverständnis und der jüngeren Gesetzgebungsgeschichte befasst. Auch wenn ein Schweigen des Gesetzgebers zur bisherigen Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht ohne Weiteres als ausreichender objektiver Anhaltspunkt für einen Bestätigungswillen angesehen werden könne (BVerfGE 78, 20, 25; Beschluss des BGH vom 15.07.2016 - GSSt 1/16 -) würde verkannt, das sich der hier zur Entscheidung berufene Senat des BGH nicht auf ein blo0es Schweigen des Gesetzgebers im Rahmen jüngerer Gesetzgebungsvorhaben abgestellt hat, insoweit er bereits früher die Schonfristzahlung als nicht die ordentliche Kündigung tangierend angesehen habe Urteil vom 13.10.2021 - VIII ZR 81/20 -), denn der Gesetzgeber habe die derzeitige Normanwendungspraxis des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB nach der langjährigen und ständigen Senatsrechtsprechung, welcher weit überwiegend die Instanzgerichte und die herrschende Meinung in der Literatur folgen würden nicht lediglich passiv unbeanstandet gelassen. Er habe vielmehr Gesetzesvorhaben, welche eine Erstreckung der Schonfristzahlung auch auf die ordentliche Kündigung beinhalten sollten,  nicht weiter verfolgt und mehrfach Gesetzesänderungen, die dies zum Ziel gehabt hätten, abgelehnt  (vgl. auch BT-Plenarprotokoll 19/236 S. 30739 zur Ablehnung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 19/20589). Dies spreche dafür, dass der Gesetzgeber das vom Senat aufgezeigte Normverständnis als weiterhin geltende Rechtspraxis ansehe. Auch Ansätze für eine Änderung im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung seien bisher nicht eingeleitet worden.

 

Von daher sei das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

 

Insoweit wäre vom Berufungsgericht, sollte es nicht das Mietverhältnis als durch die ordentliche Kündigung beendet ansehen (was hier im Revisionsverfahren zu unterstellen war, da sich das Landgericht aus seiner Sicht nicht damit auseinandersetzen musste), auch darauf einzugehen, dass klägerseits die Kündigung auch auf einen „zumindest versuchten Prozessbetrug“ (dazu BGH, Beschluss vom 21.10.2021 - VIII ZR 91/20 -) der Beklagten gestützt wurde, worauf das Berufungsgericht nicht eingegangen sei.